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Verbrennungsmotoren wird es noch lange geben. Eine Monteurin arbeitet bei einem Zulieferer für die Autoindustrie. Vor allem Lieferanten aus der dritten oder vierten Reihe mit kleinem Produktportfolio tun sich schwer mit der Transformation.

© dpa

Transformation der Autoindustrie: Weise hilft beim Wandel

Die Elektromobilität bringt Zulieferer in Bedrängnis. Ein neuer Beteiligungsfonds unter der Leitung von Frank-Jürgen Weise will Firmen retten.

Frank-Jürgen Weise ist der Mann für alle Fälle. Nachdem er gut zehn Jahre die Bundesagentur für Arbeit geführt und modernisiert hatte, bat ihn die Bundesregierung im Herbst 2015 zum Kriseneinsatz an der Spitze des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge. Fünf Jahre später braucht die IG Metall den 69-Jährigen für ein Langzeitprojekt: die Transformation der Autoindustrie vom Verbrennungsmotor zur Elektromobilität. Dazu hat sich die Gewerkschaft einen besonderen Beteiligungsfonds mit dem Namen Best Owner Group (BOG) ausgedacht, der schwächelnden aber systemrelevanten Zulieferern über die kommenden zehn bis 20 Jahre hilft. Um das Projekt in Gang zu bringen, investieren IG Metall und IG BCE ein paar Hunderttausend Euro: auf dass die Transformation so sozialverträglich verlaufe wie möglich.

Einen Exit gibt es nicht

„Es gibt erste Gespräche mit einer Reihe potenzieller Investoren, denen wir unser Konzept erläutern und die reges Interesse signalisiert haben“, sagte Weise Tagesspiegel Background. Das BOGProgramm sei „innovativ und folgt gerade nicht dem Schema des Kaufens und Verkaufens einer Beteiligung“, sagte Weise. „Denn es gibt diesen Exit gar nicht, er ist nicht vorgesehen.“ Es geht um Unternehmen ohne Zukunft: Sie produzieren noch für eine gewisse Zeit Teile und Komponenten für Autos mit Verbrennungsmotoren. Doch irgendwann in den 2030er Jahren ist Schluss.

Bis zu zehn Firmen kommen in Frage

„Private Equity scheidet als Investor aus“, sagt Weise. „Anders sieht es mit langfristig orientierten institutionellen Investoren aus, also Pensionskassen, Family-Offices oder etwa Versicherern. Aus diesem Kreis haben wir durchweg positives Feedback und echtes Interesse für substanzielle Investitionen signalisiert bekommen.“ Für den BOG peilt er ein Volumen von 500 Millionen Euro an. „Wir rechnen aus heutiger Sicht mit Investitionen in fünf bis zehn Unternehmen, das versteht sich inklusive Fremdkapitalanteil“, sagte Weise Tagesspiegel Background.

Ersatzteile für den Verbrenner

Der Markt für Verbrennungsmotoren werde trotz des forcierten Trends zum Elektroauto „über Dekaden hinweg groß sein“, glauben die BOG-Initiatoren und machen folgende Rechnung auf: Wenn man für die Schlüsselkomponenten eines Verbrennungsmotors etwa 500 Euro ansetzt, wären selbst bei einem Marktanteil von rein batterieelektrisch angetriebenen Autos von 60 Prozent im Jahr 2023 weltweit immer noch 40 bis 50 Millionen Motoren pro Jahr zu fertigen. Der Zulieferungsumsatz würde damit 20 bis 25 Milliarden Euro betragen. Außerdem werde der Ersatzteilbedarf ein erhebliches Geschäft über das Produktionsende des Verbrennungsmotors hinaus nach sich ziehen.

Frank-Jürgen Weise, viele Jahre Vorstandsvorsitzender der Bundesagentur für Arbeit und dazu Leiter des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge, hat auch schon in der Autoindustrie gearbeitet.
Frank-Jürgen Weise, viele Jahre Vorstandsvorsitzender der Bundesagentur für Arbeit und dazu Leiter des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge, hat auch schon in der Autoindustrie gearbeitet.

© picture alliance / Klaus-Dietmar

Und dennoch sind Unternehmen allein mit Produkten für den Verbrenner Auslaufmodelle, was sich derzeit bei der Beschaffung von Fremdkapital zeigt: Die Banken geben kein Geld mehr. Zur Transformation kommt die coronabedingte Rezession, und es wird immer enger für Zulieferer. Gleichzeitig weitet sich das Spielfeld für Übernahmen, Beteiligungen und neue Strukturen innerhalb der bewährten Wertschöpfungsketten.

Aufspaltung in alt und neu

Das Prinzip einer Aufspaltung in zukunftsorientierte Bereiche und „am Laufen zu haltende“ Bereiche sei bereits aus anderen Branchen bekannt, argumentieren die BOG-Protagonisten, zu denen auch Florian Almeling von KPS Capital Partners gehört.

Zwölf Prozent Rendite für Investoren

Versprochen werden erstaunlich hohe Renditen für die Investoren, die sich Weise zufolge mit mindestens 50 plus 1, also einer „echten Mehrheit“ an den Firmen beteiligen sollen. „Das Runterfahren eines Unternehmens bedeutet nicht automatisch, dass in den betroffenen Unternehmen keine positiven operativen Renditen erzielt werden können“, heißt es bei der BOG. Über reduzierte Investitionen und Entwicklungsaufwendungen, entfallende Abschreibungen und die Marktkonsolidierung könnten die Renditen sogar gesteigert werden. Für die Investoren werde eine Rendite von zwölf bis 15 Prozent angestrebt.

Keine Bad Bank

Den Begriff der Bad Bank lehnen die BOG-Macher als „irreführende Charakterisierung“ ab, weil die Unternehmen im Portfolio weder krank noch defizitär seien. „BOG fügt strukturell gesunde Unternehmen zu einem Verbund zusammen.“ Eine Finanzierung operativer Verluste werde es nicht geben. Die Unternehmen seien vielmehr in der Lage, „langfristig positive Ergebnisse zu erwirtschaften“, weshalb auch keine direkte staatliche Unterstützung erforderlich sei. „Das Konzept der BOG ist ein marktwirtschaftliches, natürlich im Geiste der Sozialen Marktwirtschaft“, sagte Weise Tagesspiegel Background. „Deshalb können öffentliche Institutionen, ich denke da etwa an die KfW oder die Förderprogramme der einzelnen Bundesländer, sicher auch eine wichtige Rolle spielen.“

Weise hat in der Branche gearbeitet

Dem BOG-Chef ist die Branche nicht fremd: In den 1990er Jahren arbeitete er für Autozulieferer, etwa im Vorstand von FAG Kugelfischer. Im BOG-Team übernehme er derzeit den „Dialog mit den Gewerkschaften, den Verbänden, der Politik“. An seiner Seite stünden „Führungskräfte aus der Zulieferindustrie mit übergreifender Branchenkenntnis, ebenso wie Persönlichkeiten mit Kapitalmarkt- und Investorenerfahrung und solche mit Wissen um Lösungen in Fragen der Beschäftigung und Transformation“, erläutert Weise.

Zwei Milliarden für die Transformation

Im Corona-Konjunkturpaket sind zwei Milliarden Euro für die Transformation der deutschen Leitbranche vorgesehen. „Die genaue Ausgestaltung hierzu wird aktuell erarbeitet“, teilt das Bundeswirtschaftsministerium auf Anfrage mit. „Wir arbeiten mit Hochdruck an einer Finalisierung.“ Mitte November beim nächsten Autogipfel muss Peter Altmaier das Konzept vorstellen. Transformationsfonds und BOG stehen dann auch auf der Tagesordnung. Weise weiß abeVersion:0.9 StartHTML:00000147 EndHTML:00000868 StartFragment:00000181 EndFragment:00000832 SourceURL:chrome://browser/content/browser.xhtml r auch: „Die BOG ist nur ein Konzept von vielen, die es für diese große Transformation brauchen wird.“

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