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Nur gucken, nicht mitnehmen. In den Läden des Konzerns ist die Computeruhr Watch nicht zu kaufen. Bestellt wird übers Internet.

© Reuters

Herzschlag statt Sekundentakt: Wie die Apple Watch den Blick zur Uhr verändert

Seit heute liefert Apple die die neue Apple Watch an die Kunden aust. Analysten sehen in ihr den Eisbrecher für die Datenarmbänder.

Um die Gesundheit seiner Kunden ist Apple sehr besorgt. Bilder von Menschen, die tage- und nächtelang auf dem kalten, harten Asphalt vor den Läden kampieren, sind von Konzernchef Tim Cook diesmal nicht erwünscht. Anders als bei vorherigen Produktpremieren läuft der Vertrieb für die Computeruhr Watch über das Internet. In den Geschäften von Apple und einigen ausgewählten Mode-Boutiquen wurde die Uhr den Kaufinteressenten nur bis heute vorgestellt: An diesem Tag werden die ersten Modelle an ihre neuen Besitzer ausgeliefert. Schon kurz nach dem Start der Vorbestellungsphase wurde für die meisten der 38 Apple-Watch-Modelle weltweit auf ein Lieferdatum „in vier bis sechs Wochen“ oder auf den Juni verwiesen.

Die Sorge um die Gesundheit der Käufer greift spätestens mit der Watch allerdings deutlich weiter. So können Nutzer mit HealthKit ihre Vitaldaten verknüpfen. Wie viele Schritte tut ein Uhrenträger am Tag, wie viele Kalorien nimmt er täglich zu sich, bewegt er sich ausreichend, um sie zu verbrennen? Über das ResearchKit kann er Informationen auch anonymisiert für Forschungszwecke bereitstellen. Tim Cook will die Menschen zu einer gesunden Lebensweise anregen – und damit verdienen.

Apple ist spät dran - aber wohl nicht zu spät

Mit dieser Absicht ist der Chef des kalifornischen Technologiekonzerns natürlich nicht allein. Genau genommen ist er damit relativ spät dran. Konkurrenten wie Samsung bedienen das Segment der smarten Uhren schon geraume Zeit. Genaue Zahlen gibt es nicht, doch die Erfolge bewerten Analysten bislang als überschaubar. Mit der Apple Watch aber soll das Zeitalter der „Wearables“ – Uhren, Brillen und andere internetfähige Geräte, die ihre Nutzer auf Schritt und Tritt analysieren – nun wirklich beginnen.

Der Markt für das Produkt wächst

Nach Schätzung von Experten wird der Absatz der Geräte in den kommenden Jahren sprunghaft steigen. Verkauften die Hersteller von Uhren, Armbändern, Pulsmessern und ähnlichen Geräten im vergangenen Jahr weltweit noch rund 19 Millionen Geräte, wird sich diese Zahl bereits im laufenden Jahr auf 46 Millionen mehr als verdoppeln, sagen die US-Marktforscher von IDC voraus. In vier Jahren sollen es demnach 125 Millionen sein. Der Anteil smarter Geräte, die Daten nicht nur ermitteln, sondern auch weiterleiten oder verarbeiten und sich untereinander vernetzen, wird dabei immer größer – von unter 20 Prozent im abgelaufenen Jahr auf dann 60 Prozent.

300 Euro sind für viele Verbraucher akzeptabel

Hierzulande sind die Fans der tragbaren Beobachter noch überschaubar. Knapp jeder Fünfte überprüft mittels Minicomputern den eigenen Puls, Blutdruck, Schlaf- oder Ernährungsgewohnheiten. Das ergab eine Umfrage der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers (PwC). Doch es werden schnell mehr werden: Jeder vierte Befragte zeigte sich bereit, bis zu 300 Euro für solche Geräte auszugeben. Fast drei Viertel würden dafür maximal 100 Euro hinblättern.

„Wearables stehen kurz davor, sich in der deutschen Bevölkerung durchzusetzen. Sie werden großen Einfluss auf die Arbeitswelt und die Gesellschaft haben“, zeigt sich der Leiter des Bereichs Technologie, Medien und Telekommunikation bei PwC, Werner Ballhaus, überzeugt. Künftig würden die Geräte nicht nur in privaten Lebensbereichen wie Gesundheitsvorsorge, Einkauf oder Freizeit eine wichtige Rolle spielen, sondern auch im Beruf.

Mehr als 15 Millionen Watches noch dieses Jahr?

Der Markt, in den Apple mit seiner Watch drängt, ist zersplittert. Samsung beherrscht mit seinen Modellen knapp ein Viertel. Alle übrigen Anbieter, darunter namhafte Marken wie Motorola, LG oder Pebble erreichen zehn Prozent und weniger Marktanteil, wie eine aktuelle Studie der Smartwatch Group ergab. Marktkenner erwarten, dass Apple sehr schnell sehr erfolgreich sein wird. Noch im laufenden Jahr dürfte die Apple Watch rund 15,4 Millionen Mal über die Ladentheke gehen, schätzt die Marktforschungsfirma Strategy Analytics.

Andere, wie PwC-Experte Ballhaus, sind skeptischer. „Der Erfolg der übrigen Apple-Geräte, insbesondere von iPad und iPhone, wurde ja nicht in erster Linie durch das Sekundärmerkmal als Prestigeobjekt erzielt, sondern weil der Innovationscharakter, die breite Funktionspalette und Bedienerfreundlichkeit sowie intelligente Vernetzungsmöglichkeiten innerhalb der Apple-Familie die Anwender überzeugt hatten.“ Ob das auch der Watch gelingen werde, bleibe abzuwarten.

Für Samsung könnte die neue Konkurrenz vom Dauerrivalen dennoch schmerzhaft werden. Jedenfalls, wenn man andere Marktsegmente zur Grundlage nimmt. Seit Apple im Herbst sein neues Spitzenmodell iPhone 6 auf den Markt gebracht hat, ist der Samsung-Marktanteil von 34 auf 20 Prozent abgestürzt. Damit hat Apple nahezu zum Branchenprimus aufgeschlossen – nunmehr muss Samsung um seine Spitzenstellung auf dem Smartphone-Markt bangen.

Verbraucher haben die Wahl - außer beim Datenschutz

Verbraucherschützer sehen die Gefahren auf einer ganz anderen Ebene. „Apple ist mit seinen Produkten in vielen Bereichen Trendsetter gewesen“, sagt Christian Gollner von der Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz. Das werde im Fall der smarten Uhren nicht anders sein. Dabei könne sich der Nutzer zwar alles Mögliche aussuchen, von der Farbe über das Armband bis hin zum mehr als 10.000 Euro teuren Spitzenmodell aus Gold. Aber: „Verbraucher haben nicht die Wahl, einzelne Funktionen etwa über ihren Gesundheitszustand abzuschalten“, gibt der Datenschutzexperte zu bedenken.

Zugegeben, dieses Problem ist nicht neu. Auch Smartphones zählen die Schritte ihrer Nutzer, im Zweifel ohne dass diese das überhaupt wissen. Aber mit der zunehmenden Zahl an Geräten, die Daten ungefragt erheben und weitergeben, liefere sich der Verbraucher den Herstellern weiter aus.

Und sie wecken Begehrlichkeiten. Versicherungen könnten auf die Idee kommen, Rabatte für besonders Datenfreizügige zu gewähren. Oder Kreditgeber könnten den Lebensstil ihrer Antragsteller mithilfe von mobilen Gesundheitstrackern durchleuchten. Wer unstet lebt, zahlt vielleicht auch seine Rechnung nicht. „Das ist natürlich alles noch Zukunftsmusik – aber es ist eben möglich“, sagt Gollner.

Apple sammelt, IBM wertet aus

Bei Apple spielt die Zukunftsmusik bereits. Für die Auswertung von Gesundheitsdaten seiner Nutzer schließt sich das Unternehmen mit IBM zusammen. Mit seinen gewaltigen Rechenkapazitäten soll der US-Konzern die Informationen analysieren. Selbstverständlich würden die Daten anonymisiert und sicher gelagert, betont IBM. Forscher und Entwickler von Fitness- und Gesundheits-Apps können sich aus diesem Pool bedienen. Zudem will IBM selbst Anwendungen für Unternehmen entwickeln.

Angesichts der Tatsache, dass Kunden bei Unternehmen immer häufiger mit ihren persönlichen Daten zahlen, fordern Verbraucherschützer wie Gollner mehr Handlungsraum für die Nutzer. Eine Lösung wäre das Prinzip Privacy by Design, bei dem sie jede Abfrage persönlicher Daten erst einmal genehmigen müssen. Vereinfacht gesagt: Die Computeruhr darf die Schritte ihres Trägers nicht ungefragt zählen und schon gar nicht automatisch an Hersteller von Apps oder andere Dritte weitergeben. In Europa ist dieses Verständnis weitgehend Konsens. Allein die Großen in der Technologiewelt heißen Apple, Google oder Samsung – und kommen eben aus Ländern mit einer anderen Tradition von Datenschutz.

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