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„Freundschaft aus Stahl.“ Ein chinesischer Arbeiter in einem Tunnel zwischen Serbien und Montenegro.

© REUTERS

Autobahn-Bau: Wie Serbien China den roten Teppich nach Europa ausrollt

Der EU-Anwärter Serbien lässt sich bei Infrastrukturprojekten massiv von China unterstützen. Denn von dort gibt es unkompliziert Kredite.

Seinem Hang zum Pathos ließ Serbiens allgewaltiger Landesvater wieder einmal freien Lauf. „Über 70 Jahre lang haben wir diesen Traum geträumt“, verkündete am Wochenende Staatschef Aleksandar Vucic bei der Eröffnung des 62 Kilometer langen Teilstücks der neuen Autobahn „Milos der Große“: Die E-763 wird bei vollständiger Fertigstellung die Fahrtzeit von Belgrad in die Provinzstadt Cacak auf eine Stunde verkürzen – und soll als „Korridor 11“ einmal Serbiens Hauptstadt mit Montenegros 445 Kilometer entfernter Hafenstadt Bar verbinden.

Vom „Stolz Serbiens“ sprach der Präsident, der gemeinsam mit Chinas Botschafter und Vertretern des chinesischen Baukonzern Shandong Hi-Speed Group im offenen Autobus über die Brücken der neuen Asphaltpiste rollte. Er sei Chinas Präsident Xi Jingping für das Projekt der neuen Seidenstraße dankbar, die „wesentlich zur Entwicklung Serbiens“ beigetragen habe, versicherte Vucic den Ehrengästen. Die beiden Staaten verbinde eine „stahlharte Freundschaft“.

Zum nimmermüden Süßholzraspeln gegenüber Peking verspürt Belgrad allen Grund. Ob beim Ausbau des Schienen- und Straßennetzes, dem Bau von Brücken, der Überholung altersschwacher Kraftwerke oder der Übernahme kriselnder Staatsunternehmen: Neben Griechenland profitiert kaum ein anderer Staat in Südosteuropa so stark von Chinas weltweiter Logistikoffensive und großzügig verliehenen Krediten wie der EU-Anwärter.

China umgarnt den Südosten Europas

Westliche Kritiker sehen die neue Seidenstraße eher als Einbahnstraße. Peking wolle mit dem Ausbau der Handelswege nicht nur den Absatz der eigenen Produkte fördern, sondern sich auch politische handzahme Partner schaffen, die EU schwächen, wenn nicht sogar spalten. Fast nur Lobeshymnen auf das Prestigeprojekt, mit dem Peking den Ausbau der Transportrouten nach Europa, Afrika und Asien forcieren will, sind hingegen im ausgemergelten EU-Wartesaal auf dem Westbalkan zu vernehmen. Serbien hat sich in den letzten Jahren zu Chinas Lieblings- und Schlüsselpartner in Südosteuropa gemausert.

Seit 2012 ist der EU-Anwärter Teilnehmer der sogenannten 16+1-Gipfel, bei denen China alljährlich die Staaten Südost- und Osteuropas mit neuen Vorschlägen zur Vertiefung der wirtschaftlichen Kooperation umgarnt: Mit dem Beitritt Griechenlands wird das Treffen künftig als 17+1-Gipfel firmieren.

Gut ein Drittel von rund 30 Milliarden Euro an chinesischen Krediten, die beim sogenannten „One Belt, One Road“-Projekt bisher nach Ost- und Südosteuropa geflossen sind, hat Serbien erhalten. Einerseits ist der EU-Anwärter mit rund sieben Millionen Einwohnern der bevölkerungsreichste Staat im ex-jugoslawischen Vielvölkerreich. Andererseits ist der Transitstaat auch durch seine Lage an mehreren europäischen Transportkorridoren für die Rolle als Chinas Brückenkopf wie geschaffen.

Kredite bekommt man von China recht schnell

Peking hat mit seinem Seidenstraßen-Projekt in erster Linie die westeuropäischen Märkte im Visier. Den Anrainern in Südosteuropa fällt vor allem der Part als Einfallstor nach Europa zu. Von dem dank chinesischer Investitionen neu aufgeblühten Hafen im griechischen Piräus sollen Handels- und Warenströme aus China über Schiene und Straße vermehrt über Nordmazedonien, Serbien und Ungarn nach Mitteleuropa gelangen. Der bereits 2014 vereinbarte, aber etwas in Verzug geratene Bau einer Schnellbahnstrecke zwischen Belgrad und Budapest gilt denn auch als eines der wichtigsten, mit Hilfe günstiger chinesischer Kredite finanzierten Großprojekte.

Der serbische Ministerpräsident Aleksandar Vucic freut sich über die Unterstützung aus China.
Der serbische Ministerpräsident Aleksandar Vucic freut sich über die Unterstützung aus China.

© dpa

Ob bei Krediten für den Ausbau der Eisenbahntrasse von Belgrad ins südserbische Nis, Donaubrücken, Autobahnen oder die Modernisierung von Kraftwerken: Kredite werden von China im Gegensatz zur EU relativ unkompliziert, schnell und ohne direkte politische Auflagen vergeben. Gleichzeitig werden die finanzierten Projekte fast immer von chinesischen Konzernen mit importierten Arbeitskräften aus dem Reich der Mitte schlüsselfertig realisiert. Die neue Seidenstraße soll nicht nur den Warenaustausch mit dem Reich der Mitte mehren, sondern hat sich schon jetzt als sehr effiziente Exportförderung für Chinas Bauwirtschaft erwiesen.

Vor allem als Kreditgeber tritt Peking im ausgelaugten Westbalkan auf. Als Investor und Handelspartner spielt China auf dem Westbalkan im Vergleich zu den EU-Staaten eine relativ bescheidene Rolle. Im Gegensatz zu den meisten anderen Staaten der Region ist Serbien aber auch zum Ziel vermehrter Direktinvestitionen aus China geworden.

Die Annäherung Serbiens an die EU ist für China zweifellos ein Plus. Gleichzeitig ist der ausgezehrte Balkanstaat ein pflegeleichter Verhandlungspartner. Lästige Fragen oder Auflagen haben chinesische Investoren in Serbien nicht zu befürchten. Ob bei der Übernahme des verlustträchtigen Stahlwerks in Smederevo durch den Branchenriesen HBIS 2016 oder den Kauf der Kupferhütte in Bor durch die Zijin Mining Group 2018: Peking scheint Serbien langfristig auch zum Brückenkopf der chinesischen Industrie in Südosteuropa ausbauen zu wollen.

Die Ausweitung der serbischen Werke des 2018 von dem chinesischen Hinsense-Konzern übernommenen slowenischen Haushaltsgeräte-Hersteller Gorenje stärkt den Standort genauso wie der vereinbarte Bau einer neuen Reifenfabrik durch Shandong Linlong Tires in Zrenjanin. Serbien habe sich zu einem der attraktivsten Investitionsstandorte weltweit gemausert, jubiliert freudig Dauerwahlkämpfer Vucic.

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