Elektronisches Ablesen: Zank um den Zähler
Nächstes Jahr werden neue Messgeräte Pflicht - noch gibt es viele Probleme.
Jahrzehntelang haben die alten, schwarzen Kästen ihren Dienst getan. Jetzt werden die alten Ferraris-Stromzähler abgeschafft. Schrittweise sollen sie durch elektronische Messgeräte ersetzt werden. Doch es gibt Klärungsbedarf. Noch ist unklar, wie viel Kunden mit der neuen Technologie wirklich sparen. Außerdem könnten unterschiedliche technische Standards den Anbieterwechsel schwierig machen – und teuer.
DER HINTERGRUND
Spätestens bis 2022 sollen alle europäischen Ferraris-Stromzähler ausgetauscht sein, in Deutschland sind 42 Millionen Geräte betroffen. Ab Januar 2010 ist der Einbau der sogenannten intelligenten Zähler bei Neubauten und großen Sanierungen Pflicht. Damit setzt die Bundesregierung eine EU-Richtlinie aus dem Jahr 2002 um. Es geht vor allem ums Energiesparen, ums Klima. Durch digitale Anzeigen sollen die Haushalte einen schnelleren und genaueren Überblick über den eigenen Verbrauch erhalten – und so zum Sparen animiert werden. Die Versorger wünschen sich zudem, dass Strom gleichmäßiger verbraucht wird, etwa auch in Neben- und Nachtzeiten. Dies würde ihnen ermöglichen, ihre eigene Strombeschaffung besser und kostengünstiger zu organisieren. Mittelfristig sollen mit der Technik auch Gas- und Wärmeverbrauch abgelesen werden, die Konzerne wollen zu Rundum-Energiedienstleistern werden.
DAS SAGT DIE WIRTSCHAFT
Die Energieversorger RWE und Vattenfall halten die bisherigen gesetzlichen Regelungen für nicht ausreichend. „Die technischen Standards sind für das, was die Bundesnetzagentur haben möchte, ungeeignet“, sagt Uwe Dahne von Vattenfall. Seit 2007 testet das Unternehmen in Berlin-Hohenschönhausen 500 der neuen Zähler. Doch die Messgeräte der verschiedenen Energiekonzerne sind untereinander nicht kompatibel. Wenn ein Kunde den Anbieter wechseln möchte, müsste ein neuer Zähler eingebaut werden. „Der Austausch der Technik bei einem Wechsel würde auch für die Kunden teuer werden“, sagt Techniker Dahne. Auch RWE hält die fehlende Kompatibilität für lästige „technologische Kleinstaaterei“. Der Konzern rüstet seit Jahresbeginn in einem Pilotversuch 117 000 Haushalte im nordrhein-westfälischen Mülheim an der Ruhr um. Konkurrent EnBW sieht die mangelnde Kompatibilität dagegen nicht als Problem. „Die Sache ist im Wettbewerb gut und richtig aufgehoben. Das verleiht der Kreativität der Vertriebe Flügel“, heißt es. Doch die Uneinigkeit zeigt: So schnell wird es kein Modell geben, das einen unkomplizierten Wechsel des Stromversorgers ermöglicht.
KEIN STANDARD IN SICHT
„Dass bei einem Wechsel des Stromanbieters der Austausch eines Zählers notwendig wird, ist nicht hinnehmbar“, sagt der energiepolitische Sprecher der SPD, Rolf Hempelmann. Ihm zufolge müsse die Bundesnetzagentur noch in diesem Jahr Mindeststandards festlegen, die für alle Messgerätehersteller verbindlich sind. Sie sollen etwa die Schnittstelle zum Auslesen der Zähler vereinheitlichen. Ähnlich sieht es Bärbel Höhn, Vizefraktionschefin der Grünen: „Wir brauchen rasch einen einheitlichen technischen Standard.“ Auch die Industrie selbst arbeitet an einer Lösung, nach Angaben des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft beschäftigen sich mehrere Projektgruppen mit dem Problem. Die Netzagentur beabsichtigt derweil nicht, einen Standard vorzugeben. „Auf Standards muss sich der Markt verständigen“, sagte eine Sprecherin.
WENIGER ABLESEN – WENIGER JOBS
Mit den neuen Messgeräten können die Stromanbieter viel Geld sparen – auch, weil sie nun per Knopfdruck den Verbrauch ablesen. Dadurch werden weniger Mitarbeiter im Außendienst eingesetzt und die Verwaltung schlanker. Diese Rationalisierung kostet Jobs, fürchtet die Gewerkschaft Verdi. „Durch die Einführung der neuen Zähler werden bundesweit bis zu 6000 Arbeitsplätze wegfallen“, sagt Sven Bergelin, Energieexperte bei Verdi, dem Tagesspiegel. Die Unternehmen würden die neue Technik nutzen, um bei eher niedrig qualifizierten Mitarbeitern aus dem Zählerwesen Stellen zu streichen. Deren Chancen auf dem Arbeitsmarkt sind gering.
VERBRAUCHERSCHÜTZER WARNEN
Wie viel sich mit den neuen Geräten sparen lässt, ist umstritten. Bis zu zehn Prozent hätten die Testkunden gespart, schätzt Vattenfall. Die Sparquote für die Kunden läge unter fünf Prozent, widerspricht Friedrich Seefeldt vom Forschungsinstituts Prognos. Das Institut hatte eine Studie erstellt, die – ironischerweise – von den Versorgern selbst in Auftrag gegeben worden ist. Das Problem liegt Energieexperten zufolge beim Kunden. Nicht der Zähler sei intelligent, er ermögliche lediglich, den eigenen Stromverbrauch bewusst zu steuern. Wachsam sollten die Kunden bei den Kosten für die Dienstleistungen hinter dem neuen Zähler sein. Stromersparnis, Transparenz und Effizienz werden ihren Preis haben – die Unternehmen wollen schließlich verdienen. Eine Möglichkeit wären neue Tarifsysteme mit verschiedenen Abrechnungsmodulen. Sinnvoll wären solche, die sich nach dem Verbrauch richten und auf kostengünstige Zeiten reagieren, um etwa die Waschmaschine zu starten. Auf dem Markt der neuen Zähler halten Verbraucherschützer außerdem die Möglichkeit eines unkomplizierten Anbieterwechsels für wichtig.