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Wirtschaft: Zukunft des Spielzeugs: Sara trägt ein Kopftuch und hat keinen Plastikbusen

Sie war die blonde Botin der westlichen Welt. Und sie ist es immer noch.

Sie war die blonde Botin der westlichen Welt. Und sie ist es immer noch. Barbie, das Püppchen aus Amerika, hat Mädchen auf allen Kontinenten begeistert. Als die 29 Zentimeter große Blondine am 9. Februar 1959 auf der New Yorker Spielmesse vorgestellt wurde, waren die Einkäufer skeptisch. Seitdem verkaufte Hersteller Matell weltweit mehr als 800 Millionen Barbies, alle zwei Sekunden kommt eine weitere dazu. Barbie ist eine amerikanische Erfolgsstory - und der Prototyp des globalen Spielzeugs.

Doch im Nahen Osten droht dem Püppchen Konkurrenz. Das iranische "Institut für die geistige Entwicklung der Jugend" entwickelt seit einiger Zeit eine Puppe namens Sara - mit schwarzen Haaren und ohne Plastikbusen. Zusätzlich soll alles, was an der Figur weiblich wirken könnte, von Tüchern verhüllt werden. Die Arabische Liga bastelt derweil an einer abgeschwächten arabischen Variante mit dem Namen Laila. Sie soll ebenfalls orientalische Gesichtszüge haben und ein Kopftuch tragen. Als Spielgefährte wird Laila kein Freund, sondern ein Bruder zur Seite gestellt. Sie sollen Barbie und ihren Liebhaber Ken verdrängen. Ist dies das Ende eines weltweiten Siegeszuges? Gewinnen regionale Spielsachen wieder an Bedeutung in einer immer unübersichtlicher werdenden Welt? Oder entwickeln Kinder in Zeiten von Internet und Globalisierung einen Einheits-Geschmack?

"Spielwaren sind längst global", sagt Christiane Reimann, Geschäftsführerin des Instituts für Jugendforschung. Die 35-Jährige hat in Studien festgestellt, dass Kinder in Asien auf die gleichen Spiele abfahren wie die Altersgenossen in Europa. Bestes Beispiel seien die Pokémon-Monster, die zuerst in Japan, dann in Amerika und schließlich in Europa vermarktet wurden. Besonders bei Videospielen seien die Wünsche nahezu einheitlich. Reimann erklärt das so: "Rund um den Globus bekommen die Kinder die gleichen Serien im Fernsehen zu sehen."

Deutsche küssen die Schienen

Die großen Firmen haben sich längst auf die Vernetzung eingestellt. Lego verkauft in 130 Ländern die gleichen Bausteine, regionale Unterschiede gibt es nicht. Sogar Werbespots und Anzeigen sind identisch - allein die Sprache wird angepasst, und in Japan zieren asiatische Kinder die Marketing-Plakate. "Bausteine sind das Idealspielzeug für alle", sagt Gerd Schönheim, Sprecher von Lego Mitteleuropa, "alle Kinder stecken drauflos." Nur bei Spieleisenbahnen gebe es Unterschiede. Die Märkte in Asien und Amerika seien nicht besonders ergiebig, erklärt Schönheim. Nur die Deutschen würden - neben Österreichern und Schweizern - in der Branche als "Schienenküsser" gelten.

Auch der Marktführer im Modellbahnbau kann regionale Unterschiede bestätigen. "Wir müssen für jedes Land spezielle Loks anbieten", sagt Roland Gaugele von Märklin. Dampflokomotiven, die in Amerika Käufer finden sollen, werden vorne mit Stahlbügeln ausgerüstet. Mit diesen "Cow Catchers" wurden früher Bisons von den Bahnstrecken geschoben. In Frankreich zeichnen sich Loks durch frei schwebende Stromabnehmer aus. Deshalb heißen sie "Bügeleisen". Trotz der Unterschiede haben alle Modellbahnen eine Gemeinsamkeit: die Technik. Alle Züge werden über die Schienen gesteuert und können mit Hilfe von Computern programmiert werden. High-Tech sorgt dafür, dass Dampfzüge beim Fahren zischen und pfeifen. "Es muss so klingen wie in der Wirklichkeit", sagt Gaugele, "und es muss auch so aussehen." Demnach wird sich an der Regionalisierung der Spieleisenbahnen nichts ändern.

Wie in anderen Branchen bedeutet Globalisierung auch beim Spielzeug nicht, dass Produkte weltweit identisch sind. Eine Marlboro-Zigarette schmeckt in Deutschland anders als in Amerika, Benetton präsentiert in Rom eine andere Pullover-Kollektion als in Paris. Wen wundert da, dass in den nächsten Jahren in Europa japanische Spieleisenbahnen produziert werden?

Wie wichtig die Beachtung regionaler Ansprüche ist, bewies der letzte Flop auf dem deutschen Spielzeugmarkt. Der hochgelobte Roboter-Hund "Aibo" von Sony kam in Deutschland gar nicht an. Während in Japan sogar Fernsehsendungen rund um das Fußball spielende Technik-Tier ihre Fans haben, ist die Nachfrage in Europa schwach. "Die Japaner sind halt computerverrückt", sagt Doreen Pankow von Sony. 80 Prozent der 45 000 verkauften Teile seien in Fernost abgesetzt worden, für Deutschland will Pankow keine Zahlen nennen. "Vielleicht müsste das Spielzeug ein bisschen vernünftiger sein", spekuliert sie. So könnte das Tier etwa alte Leute bewachen und bei Notfällen das Pflegepersonal elektronisch verständigen. Vom erhofften "Aibo"-Boom ist Deutschland jedenfalls weit entfernt.

Für Jugendforscherin Reimann ist das ein gutes Zeichen. "Wenn Eltern jedem Trend hinterherlaufen, sind die Kinderzimmer bald übervoll." Reimann kritisiert, dass viele Erwachsene ihre Sprösslinge mit bunten Gaben aus Film und Fernsehen überhäufen. Die Kreativität der Kleinen bleibe dabei auf der Strecke. Reimann hat für solche Fälle nur einen Rat: "Das Zeug muss in den Keller."

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