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Zwischen zwölf und 13,50 Euro: Gesetzlicher Mindestlohn steigt 2024
Die aus Gewerkschaftern und Arbeitgebern zusammengesetzte Mindestlohnkommission streitet über die kommende Erhöhung und die Rolle der Politik.
Stand:
Die Arbeitgeber sind immer noch sauer. Jedenfalls tun sie so. „Ich schließe nicht aus, dass das Ganze scheitert“, sagte ein Mitglied der Mindestlohnkommission mit Blick auf die wichtigste Sitzung seit drei Jahren am vergangenen Wochenende. Der Ärger über die Erhöhung der Lohnuntergrenze auf zwölf Euro zum 1. Oktober 2022 durch die Bundesregierung sitzt tief, die drei Arbeitgeber in der Kommission sehen sich desavouiert: „Wir sind Spielball einer politischen Intervention“, sagt ein Arbeitgeber dem Tagesspiegel. Welche Wirkung diese Intervention am Ende wirklich hinterlassen hat, zeigt sich an diesem Montag, wenn das Gremium seinen Vorschlag für die Erhöhung des Mindestlohns zum 1. Januar 2024 präsentiert.
2015 hatte die damalige schwarz-rote Regierung den Mindestlohn von 8,50 Euro eingeführt und dazu eine Mindestlohnkommission eingerichtet, die alle zwei Jahre über die Erhöhung entscheidet. Jeweils drei Mitglieder von Arbeitgebern und Gewerkschaften beraten darüber unter der Leitung eines oder einer Vorsitzenden: seit vergangenen Februar ist das Christiane Schönefeld, ehemals Vorstandsmitglied der Bundesagentur für Arbeit.
Die Arbeit der Kommission ist einfach und kompliziert zugleich. Grundlage für die Erhöhung des Mindestlohns sind die vom Statistischen Bundesamt ermittelten Tarifverdienste in den vorausgegangenen zwei Jahren; das ist einfach. Schwierig wird es, wenn „faire und funktionierende Wettbewerbsbedingungen“ und sichere Arbeitsplätze angestrebt werden sollen. Die neue Mindestlohnrichtlinie der EU-Kommission macht die Sache nicht leichter, ganz zu schweigen von der hohen Inflationsrate.
Die Tarifverdienste sind 2022 im Schnitt um 2,2 Prozent gestiegen und 2021 um 1,3 Prozent. Auf der Grundlage des derzeit gültigen Mindestlohns von zwölf Euro könnte die Kommission also eine Erhöhung um 3,5 Prozent oder 42 Cent zum 1. Januar 2024 beschließen. Doch das reicht den Gewerkschaften nicht. DGB-Vorstandsmitglied Stefan Körzell greift das Arbeitgeberargument der politischen Intervention auf: Der Mindestlohn müsse so hoch sein, dass er nicht in die politische Debatte gerät. Und das bedeutet für Körzell ein Stundenlohn von 13,50 Euro. Die Arbeitgeber wollen dagegen nicht einmal die zwölf Euro als Berechnungsgrundlage nehmen, sondern die 10,45 Euro, die der Mindestlohn jetzt betragen würde, wenn es die einmalige Erhöhung auf zwölf Euro durch den Gesetzgeber nicht gegeben hätte.
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Das Kalkül ging schief
Am 30. Juni 2020 hatte sich die Kommission nach zähem Ringen auf eine Erhöhung des Mindestlohns in vier Stufen verständigt: 9,50 Euro zum 1. Januar 2021, 9,60 Euro zum 1. Juli 2021, 9,82 Euro zum 1. Januar 2022 und auf 10,45 Euro zum 1. Juli 2022. Die kleinen Schritte zu Beginn erklären sich mit der Unsicherheit aufgrund der Pandemie, der große Schritt am Ende mit dem Kalkül der Arbeitgeber, die gehofft hatten, das Thema aus dem Bundestagswahlkampf 2021 herauszuhalten. Das ging schief. Olaf Scholz gewann mit der Forderung nach zwölf Euro die Wahl, seit Oktober gelten zwölf Euro.
Durch die außerordentliche Erhöhung auf zwölf Euro pro Stunde wurde der Mindestlohn innerhalb nur eines Jahres um mehr als 22 Prozent angehoben. Trotzdem fordern Gewerkschaften mit Hinweis auf die Inflationsrate von 6,9 Prozent im vergangenen Jahr und vermutlich gut fünf Prozent 2023 eine deutliche Erhöhung des Mindestlohns 2024 und womöglich in einem weiteren Schritt 2025. Zielgröße ist die EU-Empfehlung.
EU schlägt 13,50 Euro vor
Als wichtigste Orientierungsgröße für ein angemessenes Mindestlohnniveau empfiehlt die Europäische Mindestlohnkommission, dass der Mindestlohn nicht weniger als 60 Prozent des sogenannten Medianlohns betragen soll. Die zwölf Euro in Deutschland machen derzeit etwa 53 Prozent des Medianlohns von Vollzeitbeschäftigten aus. Um auf 60 Prozent zu kommen, müsste der Mindestlohn auf 13,50 Euro angehoben werden.
Die Arbeitgeber lehnen das ab: Die Mindestlohnrichtlinie sei nicht in nationales Recht überführt und deshalb ohne Belang für die deutsche Mindestlohnkommission. Eine riskante Position, die womöglich eine neue politische Intervention provoziert.
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