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Archäologie: Zurück in die Steinzeit

Archäologen versuchen, mit prähistorischem Werkzeug Holz zu schlagen und zu bearbeiten

Bäume fällen ist heute eine Arbeit für Holzerntemaschinen. Vor 7000 Jahren war es eine Schlüsseltechnologie, die darüber entschied, ob die Familie im Haus oder im Zelt überwintern konnte. Ob man sein Wasser aus dem zugefrorenen See oder dem dorfeigenen Brunnen bezog.

In den vergangenen Jahren fanden Archäologen bei Grabungen im Rheinland, Sachsen und Sachsen-Anhalt mehrere Brunnen aus der jungsteinzeitlichen Kultur der Linienbandkeramik (5500 bis 4900 v. Chr.). Diese Menschen waren nachweislich die ersten Bauern in Mitteleuropa. Ihre Brunnen gelten inzwischen als die ältesten erhaltenen Holzbauwerke der Menschheit.

Wie schafften es unsere Vorfahren, mit einfachen Steinwerkzeugen Eichen zu fällen, Bohlen zu spalten und damit einen Brunnenkasten zu bauen, der bis zu 15 Meter Tiefe erreicht? Archäotechniker und Archäologen aus ganz Deutschland versuchten, diese Fragen experimentell zu beantworten. Über eine Internetplattform verabredeten sie sich in einem Wald der Gemeinde Ergersheim in Franken.

Beim ersten Treffen konnte das Team um Rengert Elburg vom Landesamt für Archäologie in Sachsen zeigen, wie man eine Eiche mit prähistorischen Werkzeugen fällt. Die Teilnehmer brauchten allerdings anderthalb Tage, um den 40 Zentimeter dicken Baum umzulegen. Nicht zuletzt, weil die nachgebauten Querbeile (Dechsel) häufig zu Bruch gingen.

Das Besondere bei den Dechseln ist, dass die Schneide der Steinklinge nicht parallel zum Stiel ausgerichtet ist, wie etwa bei einer Axt, sondern im rechten Winkel, wie bei einer Hacke. Nachdem Archäologen in einem alten Brunnen Steinklingen aus jener Zeit gefunden hatten, war klar, dass die Menschen damals ebenjene Dechsel benutzten.

Beim nächsten Treffen gingen die Experimentatoren schon mit mehr Erfahrung ans Werk. Die Eiche mit einem halben Meter Durchmesser fiel bereits nach einem Arbeitstag. Außerdem gelang es, einen Stamm mit Holzkeilen zu spalten. Sieben Bohlen wurden entrindet und auf die erforderliche Länge gebracht. Für die Kerben, welche für Blockbauweise nötig sind, verwendeten die Handwerker Meißel, die aus den Mittelfußknochen einer alten Rinderrasse gefertigt wurden. Der Versuch, mit prähistorischen Werkzeugen einen Brunnenkasten zu bauen, gelang.

„Irgendwie waren die Jungs besser als wir“, fasst Elburg zusammen. Denn es ist kaum vorstellbar, dass sich die Bandkeramiker ähnlich abgemüht haben wie die Archäologen. Schließlich mussten sie viele Stämme fällen, um ihre bis zu 50 Meter langen Häuser zu errichten.

Da man mit dem Querbeil nur vertikal zuschlagen kann, wird die Kerbe im Baum recht groß. Die Stämme sehen hinterher aus, als wären sie von einem Biber gefällt worden. Daher gingen die Menschen ein Jahrtausend später dazu über, die Steinklingen längs zum Holm zu schäften. Damit konnte die Holzfaser im rechten Winkel abgeschnitten werden.

Der Unterschied ist offensichtlich: Ausgestattet mit Nachbauten solcher jungsteinzeitlicher Äxte gelang es zwei Teilnehmern, eine 30 Zentimeter dicke Eiche binnen zweieinhalb Stunden zu fällen.

Mathias Orgeldinger

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