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Arm und nicht sexy: Verlieren Berlins Unis an Attraktivität?
Klar kann man davon träumen, Harvard-Forscher nach Berlin zu holen. Wenn die Stadt zeitgleich von Bonn und Tübingen überholt wird, sollte man sich aber fragen: Verliert Berlin gerade seine Anziehungskraft?

Stand:
Vor einigen Tagen kam eine junge Dame in die Beratung und bat mich, ihr einige gute Gründe für Berlin als Studienort aufzuzählen. Gerade wollte ich lässig zur Antwort ansetzen, da brach sie in schallendes Gelächter aus: „Des war doch bloß a Schbäßle!“, hielt mir einen Zulassungsbescheid der Universität Tübingen unter die Nase und rannte aus meinem Büro. Schweißgebadet schreckte ich aus diesem Alptraum auf.
Am folgenden Morgen stand fest, dass Berlin im Wettbewerb der Exzellenzinitiative hinter München, Bonn und Tübingen zurückgefallen war. Statt vorher sieben geförderten Projekten waren jetzt nur mehr fünf von eingereichten zehn Vorhaben erfolgreich.
Wer die beeindruckenden Projekte und die engagierten Forschungsteams kennt, kann sich vorstellen, was für ein enttäuschendes Resultat der Verlust des vorherigen Spitzenplatzes ist. Wer allerdings zeitgleich mitten in den einschneidenden Kürzungsprozessen der Berliner Hochschulen steckte, hatte schon vorher ein mulmiges Gefühl.

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Plötzlich bedeutungslose Haushaltsverträge, ständig wechselnde Hiobsbotschaften ob einzusparender Millionen und die kühle Anmutung einer Zwangsversteigerung, auf der Gerichtsvollzieher ihren Kuckuck auf Lehrstühlen verkleben – all das dürfte nicht dazu beigetragen haben, eine Jury von der Verlässlichkeit der Berliner Hochschullandschaft zu überzeugen. Ganze Fachgebiete und Verwaltungsbereiche fallen dem Rotstift zum Opfer, reihenweise wird Personal abgebaut.
Wenn jetzt in den USA um amerikanische Wissenschaftler:innen für Berlin geworben wird, kann man nur spekulieren, ob es sich dabei um typisch überdrehtes Berliner Selbstbewusstsein oder einen Fieberwahn handelt. Träumen kann man sicher von Harvard, doch ziehen währenddessen in der Realität Bonn und Tübingen ganz entspannt vorbei.
Zwar hat Berlin stets exzellente Studierende und Forscher:innen angezogen. Es reicht aber womöglich nicht, in einem immerwährenden Nachkriegsmodus die Vorhänge zu schließen, Muckefuck zu trinken und die Tapete zu rauchen, wenn der Gürtel mal wieder enger geschnallt werden muss.
Für Berlin als seriösen und exzellenten Hochschulstandort müssen Verlässlichkeit, Kooperation und die benötigten Rahmenbedingungen gesichert sein. Ansonsten ist im Zweifel Berlin nur arm, aber Tübingen sexy.
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