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Simulation der Meeresströmungen um die Südspitze Afrikas von Forschern am Geomar Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung in Kiel.

© IFM-Geomar

Auch der Golfstrom könnte betroffen sein: Meeresströmungen beschleunigen sich

Seit den 1990er Jahren werden die Strömungen in einem Großteil der Meere schneller – Klimamodelle hatten das Gegenteil projiziert.

Seit den 1990er Jahren werden die Meeresströmungen weltweit jedes Jahrzehnt ein wenig schneller, berichten Shijian Hu von der chinesischen Akademie der Wissenschaften und Kollegen in der Zeitschrift „Science Advances“. Dahinter scheint der Klimawandel zu stecken. Und das nicht nur an der Oberfläche, sondern zumindest bis in eine Tiefe von 2000 Metern, erklären die Forscher.

„Wir haben bereits 2013 im Bericht des Weltklimarates IPCC festgestellt, dass sich die Meeresströmungen in den subtropischen Gebieten im Pazifik verstärkt haben“, erklärt Monika Rhein, die am "Marum", dem Zentrum für Marine Umweltwissenschaften der Universität Bremen, die Ozeanographie-Gruppe leitet. Bisher war aber nicht klar, ob auch andere Meeresströmungen schneller fließen. Eine Antwort auf diese Frage liefern jetzt die Forscher in China, Australien und den USA: Anscheinend haben sich 76 Prozent der Wassermassen bis in Tiefen von 2000 Metern beschleunigt.

Solche Analysen haben allerdings ein großes Problem: Erst seit der Jahrtausendwende werden Daten über den physikalischen Zustand der Meere, aus denen sich die Strömungen berechnen lassen, bis in eine Tiefe von 2000 Metern regelmäßig gemessen. Und erst seit dem Jahr 2006 decken mehr als 3000 in der Tiefsee treibende Argo-Messstationen die Weltmeere fast vollständig ab.

Starke Schwankungen sind normal

Deshalb nutzten Hu und seine Kollegen zusätzlich fünf weitere Kombinationen aus direkten Messungen und Modellen, die Meeresströmungen zum Teil zurück bis zum Jahr 1959 rekonstruieren. „Da es vor allem aus tieferen Wasserschichten in der Zeit vor den Argo-Messungen nur sehr wenig Daten gibt, sind diese Re-Analysen allerdings weniger exakt“, gibt Rhein zu bedenken. Dazu kommen noch die Ergebnisse von zwölf unterschiedlichen Computermodellen.

Kombinieren Hu und seine Kollegen dann ihre Datensätze miteinander, zeigen sie dennoch ein klares Ergebnis: Während die Meeresströmungen aus globaler Sicht bis 1990 zwischen Zu- und Abnahmen schwankten, zeigt sich seit den 1990er Jahre eine deutliche Zunahme. Dabei hatten die Klimamodelle bisher angedeutet, dass mit steigenden Temperaturen im Klimawandel die Strömungen langfristig eher langsamer fließen sollten. Und das nach Angaben von Hu und seinen Kollegen besonders in den Tropen. Genau dort aber sollen die Strömungen nach den Ergebnissen der chinesischen Forscher stark beschleunigen.

Klimawandel treibt Winde an

Allerdings sind solche Trends mit Vorsicht zu genießen: „Die Meeresströmungen zeigen in vielen Regionen im Zeitraum von Jahren und Jahrzehnten starke Schwankungen“, erklärt Rhein. Um eine langfristige Beschleunigung sicher festzustellen, müsste man mehr als zwei Jahrzehnte beobachten.

Bisher zeigen die chinesischen Forscher daher nur einen Trend. Immerhin sind sie der treibenden Kraft für die Beschleunigung der Meeresströmungen auf der Spur: Seit 1990 hat der Wind weltweit direkt über den Wellen in jedem Jahrzehnt um rund 1,9 Prozent zugenommen. Wind gilt als entscheidender Antrieb für die Meeresströmungen in den oberen Wasserschichten. Die stärkeren Winde wiederum lassen sich nur zu einem sehr kleinen Teil auf natürliche Variationen zurückführen, für den weitaus größten Teil ist dagegen der Klimawandel verantwortlich, stellen Hu und seine Kollegen fest.

Die Meeresströmung am Cap Aghulhas an der Südspitze Afrikas bringt warmes, salzhaltiges Wasser aus dem Indischen Ozean in den Atlantik und wird durch die globale Klimaerwärmung beeinflusst, was Auswirkungen auf Meerestemperatur und Klima hat.
Die Meeresströmung am Cap Aghulhas an der Südspitze Afrikas bringt warmes, salzhaltiges Wasser aus dem Indischen Ozean in den Atlantik und wird durch die globale Klimaerwärmung beeinflusst, was Auswirkungen auf Meerestemperatur und Klima hat.

© Deutsches Klimarechenzentrum DKRZ

Das aber hat erhebliche Bedeutung für den Klimawandel selbst: Stecken doch mehr als 90 Prozent der von den Treibhausgasen wie Kohlendioxid eingefangenen zusätzlichen Wärme nicht in der Luft, sondern in den Weltmeeren. Wenn sich dort die Strömungen verstärken, könnte das die Aufnahme von Wärme und damit das Weltklima verändern. Und da die Meeresströmungen Wärme auch in verschiedene Regionen transportieren, könnten Änderungen das Klima dieser Gegenden beeinflussen.

Unbekannte Tiefe

Eine weitere große Unbekannte sind die Strömungen in den untersten Etagen der Weltmeere, die  die Wasserbewegungen weiter oben und damit auch das Klima beeinflussen können. „In der Tiefe gibt es bisher viel zu wenig Messungen für gute Analysen“, erklärt Rhein. Es dürfte also noch eine Weile dauern, bis wir wissen, ob die Beschleunigung der Meeresströmungen von Dauer ist und wie sie sich genau aufs Klima auswirken.

Das gilt auch für den Golfstrom, der laut jüngsten Messungen eine große natürliche Variabilität zeigt. Hier dürfte sich aber durch das Schmelzen der grönländischen Gletscher eher eine Verlangsamung ergeben, erwarten Klimaforscher

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