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Der Test könne die Entwicklung von Therapien deutlich verbessern, schreibt ein internationales Forschungsteam im Fachblatt „The Lancet Neurology“.

© dpa/Uwe Anspach

„Bahnbrechende Entwicklung“: Test kann Parkinson-Vorstadium nachweisen

Fachleute sprechen von einem „Game Changer“: Ein Verfahren ermöglicht den Nachweis einer beginnenden Parkinson-Erkrankung, noch bevor das Gehirn geschädigt ist.

Von Walter Willems, dpa

Der Nachweis eines Proteins im Gehirnwasser ermöglicht eine Parkinson-Diagnose lange vor Ausbruch der Krankheit – und noch vor dem Auftreten von Hirnschäden. Damit könne der Test die Entwicklung von Therapien deutlich verbessern, schreibt ein internationales Forschungsteam im Fachblatt „The Lancet Neurology“.

In einem „Lancet“-Kommentar schreiben Daniela Berg und Christine Klein vom Uniklinikum Schleswig-Holstein, das Verfahren zum Nachweis des fehlgefalteten Proteins Alpha-Synuclein sei ein „Game Changer“ für die Diagnose, Erforschung und Behandlung von Parkinson. Der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN), Lars Timmermann, erwartet für die nächsten Jahre Auswirkungen der Erkenntnisse auf neue Therapien.

Behandlung unterliegt bisher einem Dilemma

In Deutschland leben Schätzungen zufolge etwa 300.000 Menschen mit der Parkinson-Krankheit – damit ist sie nach der Alzheimer-Demenz die zweithäufigste neurodegenerative Erkrankung.

Die Parkinson-Behandlung unterliegt bisher einem großen Dilemma: Wenn die Krankheit anhand typischer Bewegungsstörungen wie Zittern oder Muskelsteifheit diagnostiziert wird, ist das Hirnareal Substantia nigra, das maßgeblich für die Koordinierung von Bewegungen ist, schon seit Jahren geschädigt.

Äußere Faktoren können Einfluss haben

Genetische Risikofaktoren wie die Genvarianten GBA und LRRK2 steigern das Erkrankungsrisiko, ebenso wie andere Einflüsse, etwa Alter, Umgang mit Pestiziden oder Hirntraumata. Eine Schlüsselrolle spielt das fehlgefaltete Protein Alpha-Synuclein (α-Synuclein), das in den Nervenzellen vorkommt. Es kann verklumpen und Ablagerungen bilden wie die sogenannten Lewy-Körperchen, die in der Substantia nigra als Hauptmerkmal der Krankheit gelten.

Seit Kurzem lässt sich das Protein im Hirnwasser mit einem neuen Verfahren nachweisen, dem sogenannten Alpha-Synuclein Seed Amplification Assay (αSyn-SAA). In der aktuellen Studie wertete das Team um Andrew Siderowf von der University of Pennsylvania in Philadelphia – darunter Forscher aus Göttingen und Kassel – Untersuchungen an 1123 Menschen aus.

Darunter waren neben Patienten mit diagnostizierter Parkinson-Krankheit auch Menschen mit zwei häufigen Vorstadien der Erkrankung – dem Verlust der Geruchssinnes und Traumschlafstörungen – sowie gesunde Personen.

Insgesamt fand der Test das Protein bei 88 Prozent der Parkinson-Patienten. Bei Menschen mit der sporadischen Form der Erkrankung – also ohne besonderen genetischen Risikofaktor – ergab die Untersuchung zu 93 Prozent einen positiven Befund. Bei Patienten mit dem genetischen Risikofaktor GBA waren es sogar 96 Prozent. Bei Patienten mit der LRRK2-Variante betrug der Anteil dagegen nur 68 Prozent – hier deuten Studien auf einen möglichen anderen Mechanismus der Krankheit hin.

Bei Menschen mit einer Parkinson-Vorform hing die Trefferquote stark von der Symptomatik ab: War der Geruchssinn beeinträchtigt, war das fehlgefaltete Protein bei gut 97 Prozent der Teilnehmer nachweisbar. Bei Menschen mit einer Traumschlafstörung lag der Anteil nur bei 63 Prozent.

Das Kernproblem bei Parkinson ist, dass wir mit den Therapien zu spät kommen.

Lars Timmermann, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Neurologie 

Besonders wichtig: Bei den meisten Teilnehmern mit einer Parkinson-Vorform, bei denen das Protein im Hirnwasser vorhanden war, gab es noch keine Hinweise auf Veränderungen der Nervenzellen in der Substantia nigra. Daraus leitet das Team ab, dass Alpha-Synuclein ein sehr früher Hinweis auf die sich anbahnende Krankheit sein kann.

„Das Kernproblem bei Parkinson ist, dass wir mit den Therapien zu spät kommen“, erläutert Timmermann, Direktor der Klinik für Neurologie an der Universitätsklinik Marburg. „Wir müssen Patienten sicher erkennen, bevor das Gehirn geschädigt ist.“ Die Studie zeige, dass dies mit dem untersuchten Verfahren möglich sei.

Test hat aber auch noch Schwächen

Das betonen auch die Autoren der Studie: „Unsere Resultate deuten darauf hin, dass das αSyn-SAA-Verfahren den Biomarker für die Parkinson-Krankheit sehr zuverlässig ermittelt“, wird Ko-Autor Luis Concha vom Biotechnologie-Unternehmen Amprion in einer „Lancet“-Mitteilung zitiert. Das ermögliche es, die Krankheit in frühen Stadien zu diagnostizieren. Offenbar verbreiteten sich die fehlgefalteten Proteine, bevor Hirnschäden erkennbar seien.

Als eher wenig zuverlässig erwies sich das Verfahren dagegen bei Menschen mit der Genvariante LRRK2, deren Geruchssinn nicht beeinträchtigt war: Hier lag die Trefferquote nur noch bei knapp 35 Prozent. Bei Frauen in dieser Gruppe waren es sogar nur knapp 13 Prozent – in absoluten Zahlen: 3 von 24.

Auch dies ist eine wichtige Erkenntnis: „Die Resultate unserer Studie haben unmittelbare Folgen für die Planung klinischer Studien“, betonen die Autoren. Bei Untersuchungen zu Therapien für Menschen mit der Genvariante LRRK2 müsse man den αSyn-SAA-Befund berücksichtigen. „Ähnlich sollte man bei jenen Therapien, die auf Alpha-Synuclein abzielen, die Möglichkeit bedenken, dass Menschen ohne Anhäufung des fehlgefalteten Proteins anders auf die Behandlung ansprechen.“

300.000
Menschen in Deutschland leiden an Parkinson

Wie wichtig das sein könnte, zeigt ein Blick in die jüngere Vergangenheit: Im Jahr 2022 waren zwei große Studien mit Antikörpern gegen Alpha-Synuclein gescheitert – ein herber Rückschlag für die Parkinson-Forschung. Diese Studiendaten könne man nun unter Berücksichtigung der jetzigen Erkenntnisse erneut analysieren, sagt Timmermann.

Die deutschen Kommentatorinnen Berg und Klein betonen, man betrete „für die Parkinson-Krankheit eine neue Ära der Entwicklung von Biomarkern und Therapien“. Die Möglichkeit, fehlgefaltetes Alpha-Synuclein nachweisen zu können, sei „eine bahnbrechende Entwicklung“, schreiben sie.

Wünschenswert sei allerdings im Vergleich zur Untersuchung des Hirnwassers (Liquor) ein weniger invasiver Bluttest. Dass dies grundsätzlich möglich sei, habe erst kürzlich eine Studie demonstriert. DGN-Präsident Timmermann kann sich vorstellen, dass Erkenntnisse aus der Studie sich in etwa fünf Jahren in neuen Therapien niederschlagen könnten.

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