
© Andreas Klaer
Begabtenförderwerke gegen Antisemitismus: Programm bildet Studierende aus
Das jüdische Studierendenwerk „ELES“ baut angesichts der Vorfälle an Hochschulen seit dem 7. Oktober sein antisemitismuskritisches Training aus. Teilnehmen können Stipendiaten aller Förderwerke.
Stand:
Ganze 150 antisemitische Vorfälle haben sich letztes Jahr an deutschen Hochschulen ereignet, vermeldete der Bundesverband der Recherche- und Informationsstellen Antisemitismus (Rias) in seinem Jahresbericht für 2023 – 113 davon ereigneten sich nach dem Hamas-Massaker vom 7. Oktober. Ein Muster, das Rias auch in Berlin beobachtete: Während für das Vorjahr bis zum 7. Oktober vier Vorfälle an Berliner Hochschulen dokumentiert wurden, waren es danach bis Jahresende 25. Als antisemitisch eingestuft wurden unter anderem Graffitis, Flyer, Plakate, persönliche Anfeindungen sowie Aussagen auf studentischen Versammlungen.
„Der ansteigende Antisemitismus an den Hochschulen ist eine Bedrohung für jüdische Studierende und eine plurale Gesellschaft, warnt Michal Or, die Geschäftsführerin des Ernst Ludwig Ehrlich Studierendenwerks (Eles). Unter den 13 deutschen Begabtenförderwerken vertritt Eles als eine der religiös motivierten Stiftungen die Interessen der jüdischen Gemeinschaft. Alle Förderwerke vertiefen nun gemeinsam ihr Engagement gegen Antisemitismus.
Ausgebaut wird das von Eles angeleitete Bildungsprogramm „Nie wieder?! Gemeinsam gegen Antisemitismus und für eine plurale Gesellschaft“. Das 2020 nach dem Anschlag auf die Synagoge in Halle ins Leben gerufene Projekt soll der Sensibilisierung, Weiterbildung und dem Empowerment der teilnehmenden Stipendiaten dienen und wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) finanziell gefördert. Nach einer Anschubfinanzierung durch Felix Klein, den Beauftragten der Bundesregierung für jüdisches Leben und den Kampf gegen Antisemitismus, trägt nun alleine das BMBF die Kosten des unbefristet laufenden Programms von 500.000 Euro jährlich.
Von Bildungsministerin und FDP-Politikerin Bettina Stark-Watzinger heißt es dazu: „An deutschen Hochschulen darf kein Platz für Israel- und Judenhass sein. Wir müssen uns ihm gemeinsam entgegenstellen. Dass sich alle Begabtenförderungswerke an der Ausweitung des Programms beteiligen, ist ein wichtiges Signal.“
Die Nachfrage unter den Stipendiaten sei groß
Herzstück des Programms ist die Fortbildung „Mpact“ – Multiplikator*innen taking Action against Antisemitism. Jährlich werden 20 Stipendiaten „mit unterschiedlichen weltanschaulichen und politischen Ausrichtungen“ dazu ausgebildet, selbst antisemitismuskritische Workshops an ihren Hochschulen zu geben. Ziel ist laut der Beschreibung, dass die Ausgebildeten „offenen und versteckten Antisemitismus“ erkennen und darauf reagieren können.
Das Einstehen für die palästinensische Zivilbevölkerung ist wichtig und legitim. Die Proteste, so wie sie aktuell stattfinden, führen allerdings eher zu Polarisierung, zu Juden- und Israelhass.
Michal Or, Geschäftsführerin des Ernst Ludwig Ehrlich Studierendenwerks
Laut Imke Kummer, der Leiterin des „Nie Wieder?!“-Programms sollen die Bemühungen zur Deeskalation des aufgeheizten Nahost-Konflikts an den deutschen Universitäten beitragen: „Unsere Teilnehmer intervenieren an den Hochschulen in aktuelle Debatten und stärken unter Studierenden das Bewusstsein für Antisemitismus.“ Auf Anfrage des Tagesspiegels fügt Michal Or vom Eles-Förderwerk an, es gebe eine große Nachfrage für das Angebot unter den Stipendiaten.
Indirekt solle das Programm dazu beitragen, das Sicherheitsgefühl von jüdischen Studierenden an deutschen Hochschulen zu stärken, sagt Or. Abgesehen von konkreten Anfeindungen und Angriffen berichteten ihr Betroffene davon, es sich aufgrund „der zunehmenden Polarisierung nicht mehr zu trauen, sich politisch zu äußern, oder sich als jüdisch erkennbar zu geben.“ Ein diskriminierungsfreies Studium sei derzeit nicht gewährleistet.
Das Einstehen für die palästinensische Zivilbevölkerung hält die Eles-Geschäftsführerin für „wichtig und legitim“. Sie gibt aber zu Bedenken: „Die Proteste, so wie sie aktuell stattfinden, führen allerdings eher zu Polarisierung, zu Juden- und Israelhass. Sie erzeugen eine aufgeheizte Stimmung bis hin zu Gewaltaufrufen.“
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