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Schweiz: Bern kann verblüffend sein

Die Hauptstadt der Schweiz will entdeckt werden. Bern hat deutlich mehr zu bieten als eine schöne Altstadt.

Der Fahrgast hat sich noch nicht gesetzt im Zug von Zürich nach Bern, schon steht der Schaffner da. „Donnerwetter, Sie sind aber schnell.“ Der Kondukteur lächelt, etwas kokett vielleicht, und antwortet: „Willkommen in der Schweiz!“ Aus Bern stammt er nicht. Das ist sicher. Dort gehen bekanntlich die Uhren anders, wenngleich auch sehr genau. „Jede Eile läuft der Veranlagung der Bundesstädter zuwider“, sagt Markus Legier augenzwinkernd. Er muss es wissen. Als Direktor von Bern-Tourismus soll er die Stadt an der Aare „verkaufen“. Eine schöne Aufgabe, denn die 819-Jährige hat viele Pfunde, mit denen sie wuchern kann.

Ja, Bern – für deutsche Fußballfans hat der Name einen Klang wie Donnerhall. Und kein deutscher Bern-Tourist kommt an einem Besuch des Wankdorf-Stadions vorbei. Zwar heißt es heute Stade de Suisse, schaut hochmodern aus und ist multifunktional, steht neu erbaut jedoch an selbiger Stelle, die bebte, als Deutschland 1954 die favorisierten Ungarn schlug und erstmals Fußballweltmeister wurde. Wegen dieses Ereignisses ist Bern also weltberühmt – in Deutschland. Besucher aus anderen Gefilden lässt dieser Mythos eher kalt. Sie kommen aus verschiedenen, zumindest fast ebenso guten Gründen in die Schweizer Bundesstadt. Denn Bern überrascht. Nun mag es daran liegen, dass so mancher Tourist doch ein wenig ignorant ist in Bezug auf das, was ihn im langen Schatten von Eiger, Mönch und Jungfrau erwartet. Wer weiß schließlich schon, dass Bern wegen des weitgehend unverändert erhaltenen mittelalterlichen Stadtbildes auf der Liste des Unesco-Weltkulturerbes steht? Seit 1983. Dicht an dicht ducken sich schmale und schmalste Häuser auf einer Halbinsel, wo sich die flott fließende Aare in einer Art Mosel-Schleife windet. Dort im Kern des Kerns der Altstadt geht es zwar etwas windschief, doch fast puppenstubenhaft zu. Und geschichtsbeladen. Zumindest aus Schweizer Sicht. Denn in der Unterstadt, dem „ Mattenviertel“ unmittelbar am Fluss, streift man schließlich auch am Stammhaus der Berner Schokoladenmanufaktur von Rodolphe Lindt vorbei, der ganz wesentlich zum Ruhm von Stadt und Nation beigetragen hat. Erfand er doch 1879 die Conchiermaschine, ein Rührwerk zur Verfeinerung der Konsistenz von Schokoladenmasse.

Wahrscheinlich hatte sich Lindt das Mattequartier als Standort ausgesucht, weil damals Grund und Boden dort billig zu haben waren. Im Gegensatz zu heute. Denn das Viertel, wo zunächst Fischer und Fuhrleute siedelten und später mehr oder weniger getarnte Bordelle Casanova entzückten, den Besucher Karl Friedrich Schinkel hingegen erschreckten, wandelt sich zum Quartier der Boheme. Gentrifizierung in Reinkultur also auch hier. Allein, an der Aare brennen deshalb keine Autos. Schlendert der Berliner durch Bern, fallen ihm alsbald zwei Dinge auf, erstens: Die Menschen sehen schick aus. Zweitens: Die Dichte der öffentlichen Mülleimer ist nicht nur immens, sondern die silbrigen Rundtonnen sind bei vernünftig-stattlichem Volumen auch optisch ansprechend. Die Folge: eine wahrhaft ansehnliche Stadt.

Beeindruckend auch das Kulturangebot: Im Einstein-Museum ist dem klugen Mann eine aufwendig inszenierte Dauerausstellung gewidmet. Das Zentrum Paul Klee begeistert gleich doppelt. Außen durch die Wellen-Architektur von Renzo Piano, innen durch wechselnde Ausstellungen der hier versammelten 4000 Werke von Paul Klee.

Ja, Einkaufen ist auch gut möglich, besonders in den lauschigen Laubengängen der Altstadt. Viel Chic, wenig Beliebiges. Beeindruckend. Der Jubel über so viel Shoppingqualität erstirbt auf weiblichen Lippen jedoch, wenn es ans Eingemachte geht. Beim Blick aufs Preisschild. Und da mögen die Schweizer noch so verwundert schauen, der deutsche Besucher stellt fest: Hier wird ein echtes Süd-Nord-Gefälle offenbar.

Auskunft: Bern-Tourismus, Telefon: 00 31 / 328 / 12 12, www.berninfo.com; Sky Work fliegt seit vergangener Woche montags, freitags, sonntags nonstop Berlin–Bern.

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