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Schüler:innen wünschen sich Schule als lebensnahen und schönen Lernort.

© picture alliance / SZ Photo

Umfassende Bildungsreform: Bürgerräte fordern neue Lernkultur

Durch die Corona-Pandemie wurden Schwächen des deutschen Bildungssystems offensichtlich. Eine Initiative hat nun weitgehende Empfehlungen für die Poltik.

Der bundesweite aktive „Bürgerrat Bildung und Lernen“ hat am Dienstag ein Sofortprogramm mit Empfehlungen für eine umfassende Bildungsreform veröffentlicht. Die Forderungen der Bürger:innen und Kinderbotschafter:innen an die Bildungspolitik umfassen die Fort- und Weiterbildung kompetenter Lehrkräfte, mehr Chancengleichheit, eine Umstrukturierung der Lehrpläne, lebensnahes Lernen sowie Demokratie und Teilhabe an den Schulen. Hinzu kommen die individuelle Förderung der Lernenden sowie Voraussetzungen für digitale Lehre zu schaffen. 

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Die Corona-Pandemie habe die Schwächen des deutschen Bildungssystems schonungslos ins Licht gerückt.  Darauf reagiere der Bürgerrat nun mit seinen Empfehlungen, an den auch Schüler:innen beteiligt waren, heißt es von der Initiative.

Einheitliche Lehrplänen für alle Bundesländer

Eine der wesentlichen Forderungen ist die Harmonisierung des Bildungssystems, wozu einheitliche Lehrplänen für alle Bundesländer geschaffen werden sollten. Nach dem Willen der Bürgerrät:innen sollen die Bildungssysteme bundesweit vereinheitlicht werden: Anforderungen und Abschlüsse müssten vergleichbar sein, damit eine reibungslose Mobilität bei Schulwechseln oder dem Übertritt in die Hochschul- oder Berufsausbildung möglich ist. Nach Vorstellung des Bürgerrats soll Bildung „Bundessache“ werden, der Bund soll auch die Ressourcen verteilen. Desweiteren wird auch eine Öffnung der Schule nach innen für Schülerbedürfnisse und nach außen für neue Einflüsse gefordert. Schule und Unterricht müssten  weitgehend digitalisiert und die Kompetenzen der Schüler:innen erweitern werden.

Chancengleichheit und  selbstbestimmtes Lernen

Chancengleichheit ist dem Bürgerrat ein ebenso wichtiges Anliegen. Schule müsse lebensnahe Rahmenbedingungen bieten, in denen sich junge Menschen unterschiedlichster Herkunft und Prägung auf den Arbeitsmarkt und das Leben in einer komplexen Gesellschaft vorbereiten können. „Gute Bildung“ sei dafür die Voraussetzung, so der Bürgerrat – sie sei Deutschlands „wertvollste Ressource“, in die investiert werden muss.

Eine weitere Forderung ist eine neue Lernkultur: Kinder und Jugendliche möchten sich laut Bürgerrat in Selbsteinschätzung üben und selbstständiger agieren dürfen. Ziel sei individuelle Förderung und selbstbestimmtes Lernen, diese Aspekte wurden gleichsam vom Bürgerrat und Schüler:innen als wichtig erachtet. Eine neue Lernkultur sei  aber nur in adäquat ausgestatteten, digitalisierten Schulen mit angemessen ausgebildeten Lehrkräften und kleineren Klassen möglich: „In der digitalisierten Schule sollen Lehrkräfte mehr Zeit für pädagogische Aufgaben haben, da Support für Medien und IT vorhanden ist.“

Schule als Lebensraum

Für die Kinder und Jugendlichen ist der Erhebung nach die Schule nicht nur ein Ort zum Lernen, sondern auch Lebensraum und Experimentierfeld. Unter dem Stichwort lebensnahes Lernen  wünschen sich Schüler:innen eine „schöne Schule“ mit motivierenden Räumen und sauberen Toiletten. Viele ihrer Vorschläge sind Teil des Reformprogramms geworden. 

Darunter auch ein Schulbeginn  erst ab 9 Uhr, „Lernen fürs Leben“ sowie die Forderung nach mehr und IT-erfahrenen Lehrkräften in kleineren Klassen. Am Nachmittag wollen die  Bürgerräte  die Schule vor allem zur Ganztagsbetreuung öffnen. Die Schüler:innen wünschen sich nachmittags Zeit zum Entspannen und Experimentieren: „um die eigene Stärken weiter auszubauen“, wie sie schreiben.

500 Menschen ab 16 Jahren ausgelost

Der von der gemeinnützigen, unabhängigen „Montag Stiftung Denkwerkstatt in Bonn“ ins Leben gerufene Bürgerrat Bildung und Lernen ist zunächst auf drei Jahre angelegt, wobei ein Durchlauf jeweils ein Jahr dauert. Erarbeitet wurden die Empfehlungen des „Bürgerrats Bildung und Lernen“ im Laufe des Jahres 2021.

Dafür wurden  mehr als 500 Menschen ab 16 Jahren aus ganz Deutschland von der Stiftung ausgelost. An dem mehrstufigen Meinungsbildungsprozess, der unabhängig von der Stiftung stattgefunden habe, sind laut Initiatoren vor allem auch jüngere Menschen beteiligt, „die von der Bildungskrise direkt betroffen“ sind. Auch 130 Schüler:innen bis 16 Jahre hatten in verschiedenen ‚Schulwerkstätten‘ mitdiskutiert. 

Ein Forum zur demokratischen Teilhabe und bildungspolitischen Mitbestimmung und hat im Laufe des ersten Jahres ein Sofortprogramm zur Umgestaltung des deutschen Bildungssystems erarbeitet. Vorschläge aus einem öffentlichen Online-Dialog, Beiträge der Teilnehmenden und die Impulse der Schüler:innen dienten als Basis für die Empfehlungen des Bürgerrates. Dutzende Vorschläge aus Online-Befragungen sind laut Stiftung dazu  eingegangen.

Tägliche Erfahrungen von Kindern und Jugendlichen

„In dem so genannten deliberativen Verfahren geht es darum, viele unterschiedliche Perspektiven auf das Thema Bildung und Lernen zusammenzubringen, zu diskutieren und daraus fundierte, konsensfähige Lösungen zu entwickeln und zu formulieren“, erklärte Karl-Heinz Imhäuser, Vorstand der Montag Stiftung Denkwerkstatt. „Die Empfehlungen des Bürgerrats Bildung und Lernen würden für die täglichen Erfahrungen und Wahrnehmungen von Bürgerinnen und Bürgern, von Kindern und Jugendlichen steht. „Sie können neue, bisher zu wenig beachtete Impulse in die Diskussion um die Zukunftsgestaltung des Bildungssystems bringen.“

Der „Bürgerrat Bildung und Lernen“ ist aktuell der einzige Bürgerrat, der auf Bundesebene aktiv ist und auch Kinder und Jugendliche einbezieht.   „Gerade jetzt, wo neue Regierungskoalitionen im Bund, in Berlin und in Mecklenburg-Vorpommern ihre Arbeit aufnehmen und Schulen von der vierten Welle überall in Deutschland von der Pandemie besonders betroffen sind, dürfen die Themen Bildung und Bürgerbeteiligung nicht aus dem Blick geraten“, hieß es von der Stiftung. 

Die ausführlichen Empfehlungen des Bürgerrats Bildung und Lernen sind im Wortlaut auf der Website der Initiative zu finden.

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