
© Kt Miller / Polar Bears International
Das eisige Licht der Welt: Eisbärenjunge beim Verlassen ihrer Geburtshöhle gefilmt
Eisbärenweibchen ziehen sich in abgelegene Gebiete zurück, um in Höhlen zu überwintern und ihre Jungen zur Welt zu bringen. Nun wurden erste Ausflüge der Bärenfamilien dokumentiert.
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Die Eisbärin geht langsam über einen schneebedeckten Hang auf einer Insel der arktischen Inselgruppe Spitzbergen. Dann tut sich etwas im Schnee, einige Meter entfernt. Erst erscheint ein Junges, scheinbar aus dem Erdboden, und dann zwei weitere. Die kleinen Bären beeilen sich, die paar Meter zu ihrer Mutter zu überwinden, was ihnen auf dem rutschigen Boden nicht sofort gelingt. Es sind aber auch ihre ersten Schritte außerhalb der Höhle, in der sie etwa drei Monaten zuvor geboren wurden.
Eingefangen hat diesen seltenen Einblick in das Familienleben des größten aller Landraubtiere (das Video ist hier zu sehen) ein internationales Forschungsteam mithilfe von Senderhalsbändern und automatischen Kameras. Fast ein Jahrzehnt lang wurden Aufnahmen gemacht, bis ihnen diese Bilder gelangen. Die neue Methodik zur Beobachtung der Tiere soll nun weitere Erkenntnisse liefern, die für den Schutz der Eisbären – vor allem ihrer Jüngsten – entscheidend sein könnten.
Kritische Phase im Leben der Eisbären
Die Aufnahmen der Bärin wurden bereits Ende März vergangenen Jahres gemacht und nun zum Tag des Eisbären am 27. Februar veröffentlicht. „Eisbärenmütter haben wegen des Klimawandels zunehmend Schwierigkeiten, sich fortzupflanzen, und werden wahrscheinlich mit der Ausweitung menschlicher Aktivitäten in der Arktis vor weitere Herausforderungen gestellt“, sagt Louise Archer von der Naturschutzorganisation Polar Bears International. Jede der beobachteten Höhlen erzähle eine eigene Geschichte, sagt die Forscherin.
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Eisbären paaren sich zwischen den Monaten März und Juni. Befruchtete Eizellen nisten sich aber erst im Herbst in die Gebärmutter der Bärinnen ein – vorausgesetzt, sie sind gut genug genährt, um Schwangerschaft und die ersten Monate in der Höhle ohne Nahrung zu überstehen. Im Herbst graben sich trächtige Weibchen dann die Höhle auf dem Packeis, in Schneewehen oder wie auf Spitzbergen an Abhängen auf dem Festland in Küstennähe. Dazu suchen sie abgelegene Gebiete auf. Bislang war daher relativ wenig über diese kritische Phase im Leben der Eisbären bekannt.

© BJ Kirschhoffer / Polar Bears International
In der Fachzeitschrift „Journal of Wildlife Management“ berichtete das Team jetzt über seine neuen Erkenntnisse.
- Veränderte Zeiten, zu denen die Höhlen verlassen werden: Die Familien auf Spitzbergen verließen die Höhlen früher als zuvor in dieser Population beobachtet bereits um den 9. März. Für die Jungen könnte das gefährlich sein, weil sie weniger Zeit haben, sich zu entwickeln, bevor sie auf das Meereis wandern.
- Variable Höhlenpräsenz: In einigen Fällen verließen die Bären die Höhle für weniger als eine Minute, in anderen Fällen für mehrere Stunden. Im Durchschnitt kehrten die Eisbären zwölf Tage lang zur Höhle zurück, bevor sie sie für immer verließen.
- Höhlenwechsel: Einige Mütter wurden beobachtet, wie sie ihre Jungen in neue Höhlen führten.
- Abhängigkeit von der Mutter: Die Jungtiere verlassen sich stark auf ihre Mütter und wagen sich nur selten allein aus der Höhle. Auf Spitzbergen sind Jungtiere bis zu 2,5 Jahre von ihrer Mutter abhängig.
- Auswirkungen auf den Naturschutz: Die Studie belegt, dass die Höhlengebiete geschützt werden müssen, um das Überleben der Art zu sichern. Die Jungtiere sind auf die Zeit um das Verlassen der Höhle angewiesen, um sich an die äußere Umgebung zu gewöhnen.

© Kt Miller / Polar Bears International
Die Forschenden hatten weibliche Eisbären mit Senderhalsbändern ausgestattet, sodass sie per Satellitenortung die Höhlen finden konnten. An 13 Höhlenstandorten stellten sie Kamerafallen auf, die Bewegungen automatisch aufzeichneten.
„Diese Studie bietet einen seltenen Einblick in eine der empfindlichsten und kritischsten Phasen im Leben eines Eisbären“, sagt Co-Autorin Megan Owen von der Organisation San Diego Zoo Wildlife Alliance. Innovative Technologie in der Langzeitforschung einzusetzen, habe zu einem tieferen Verständnis für die Herausforderungen geführt, denen sich Eisbärenmütter und -junge in der sich schnell verändernden Arktis stellen müssen. „Der Schutz von Höhlenlebensräumen ist für die Gesundheit der Populationen von entscheidender Bedeutung“, sagt Owen. Die Studie liefere grundlegende Erkenntnisse, die das Schutzmanagement unterstützen würden.
„Es gibt nur wenige Studien, die Beobachtungsdaten an Eisbärenhöhlen einbeziehen“, sagt Jon Aars, leitender Forscher am Norwegischen Polarinstitut. Die Daten der Satelliten-Funkhalsbänder gäben auch Aufschluss über Aktivitäts- und Temperaturänderungen. Diese könnten nun mit dem aufgezeichneten Verhalten der Tiere in Zusammenhang gebracht werden. „Dies ist von großem Wert, da viele Daten von mit Halsbändern versehenen Weibchen, die sich in einer Mutterschaftshöhle aufgehalten haben, verfügbar sind.“
Und was tut sich jetzt gerade an den Höhlen, die im vergangenen Winter bezogen wurden? Der neuen Generation Eisbären auf Spitzbergen bleiben noch einige Tage in ihrem geschützten Versteck, die sie mit Trinken, Kuscheln, Schlafen und Spielen verbringt. Dann wird ihre Mutter den wahrscheinlich eingeschneiten Höhleneingang öffnen und sie erblicken zum ersten Mal das Licht ihrer eisigen Welt.
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