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Das richtige Studienfach: Gut Ding braucht Zeit!
Kann man weitreichende Entscheidungen gut unter Druck treffen? Unser Kolumnist hat Zweifel.

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In einem Beratungsgespräch tauchte kürzlich wieder ein Evergreen der Studienfachwahl auf. Die Ratsuchende stellte fest, sie müsse „langsam mal wissen“, was sie studieren wolle. Manche Redewendungen verlieren wohl nie ihre Elastizität.
So hörte ich auch den längst totgeglaubten Satz „Solange du deine Füße unter meinen Tisch stellst, machst du, was ich sage!“ aus dem Mund eines jungen Mannes, der die familiäre Stimmung zu Hause angesichts seiner Studienpläne schilderte. Offenbar sind neben Frisuren aus den 80ern und Oberlippenbärten auch gesellschaftliche Kälte und schwarze Pädagogik wieder im Trend.
Dabei ist der Anspruch, „langsam mal wissen“ zu müssen, schon in sich nicht stimmig. Wie lange darf der Prozess der Studienwahl dauern, bevor er als zu zögerlich gilt – kann man sich auch zu schnell entscheiden? Braucht es vielleicht ein langsames „Reifen“ eines Studienwunsches?
Und wie funktioniert es überhaupt, etwas „wissen zu müssen“? Wissen wird doch erst durch den Akt des Lernens erworben. Kann man Wissenserwerb tatsächlich erzwingen? Und wie erfolgreich ist es, ein Gefühl des „Müssens“ auf eine Entscheidung zu übertragen, die eine tiefere Tragweite hat als die Wahl zwischen zwei Paar Schuhen oder verschiedenen Pizzen auf der Speisekarte?
Ohne ein Plädoyer für ein unnötiges Verlängern der Adoleszenz halten zu wollen – Entscheidungen werden selten besser, wenn einem gleichzeitig ins Ohr geschrien wird und entweder Adrenalin oder Selbstzweifel einschießen. Besonders bei der Wahl eines Studienfachs, wo später regelmäßig persönliche und fachliche Entscheidungen getroffen werden müssen, die auf einem kontinuierlichen Wissenszuwachs basieren, funktioniert ein solcher Druck noch schlechter.
Oft wird „Wissen“ gesagt, aber „Gewissheit“ gemeint. Wer schon vor Beginn des Films wissen muss, wie er ausgeht, findet diese Art Vorhersehbarkeit eher in einer Ausbildung. Die Entscheidung für einen Studiengang braucht manchmal mehr, manchmal weniger Zeit, lässt sich aber nicht wie Instantkaffee nebenbei schnell aufgießen. Schließlich heißt es nicht umsonst: „Gut Ding will Weile haben.“
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