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"Herzfeuer" kennt man zumindest als Kleingärtner. Dass es aber Tomatensorten gibt, die Isis heißen, weiß wohl nicht jeder.

© picture alliance / blickwinkel/M. Henning

Das wilde Erbe einer Kulturpflanze: Die Geschichte der Tomate muss neu geschrieben werden

Nachtschatten sind nicht alle grau. Das beweist die Tomate. Wie sie es von einer Mini-Wildform bis ins Ketchup geschafft hat, haben Forscher jetzt untersucht.

Die Tomate ist neben der Kartoffel das wichtigste Nachtschattengewächs für die menschliche Ernährung. Und die Tomaten, die wir heute essen, stammen offenbar von anderen Vorfahren ab, als man bisher dachte. Neue genetische Untersuchungen zeigen jedenfalls, dass die moderne Zuchttomate eher mit einer wilden Tomatengruppe verwandt ist, die heute noch in Mexiko vorkommt, als mit teildomestizierten Zwischentypen, die es in Südamerika gibt.Die Entwicklungsgeschichte der Urtomate zur heutigen Feldfrucht verlief also komplexer als bisher gedacht.

Bislang waren viele Forscher davon ausgegangen, dass der Prozess von der Wild- zur Kultuttomate in zwei Schritten erfolgte: Demnach wäre die Wildform Solanum pimpinellifolium (SP), deren Früchte die Größe von Heidelbeeren hatten, in Südamerika domestiziert worden, zur Art S. lycopersicum in der Variante cerasiforme (SLC), mit kirschgroßen Früchten. Im zweiten Schritt wäre diese Form dann zur heutigen Tomate Solanum lycopersicum in der Variante lycopersicum (das ist kein Schreibfehler, sondern sie heißt dann wirklich Solanum lycopersicum lycopersicum, SLL) weitergezüchtet worden. Im Fachmagazin «Molecular Biology and Evolution» rekonstruieren Hamid Razifard von der University of Massachusetts in Amherst und seine Kollegen basierend auf genetischen Analysen nun eine andere Entwicklung.

Die Tomate (SLL) zähle zu den ökonomisch wertvollsten Feldfrüchten weltweit, schreibt das Team. 2012 wurde das Erbgut der modernen Tomate erstmals sequenziert. Nun ermittelten die Forscher die Genome von 166 Varianten der Formen SP, SLC und SLL aus verschiedenen Regionen Süd- und Mittelamerikas. Zudem griffen sie auf 394 bereits veröffentlichte Genomsequenzen zurück.

Von Heidelbeergröße zu - nun ja - Tomatengröße

«Die Geschichte der Domestizierung von Tomaten wird im Allgemeinen als ein zweistufiger Prozess dargestellt, bei dem die Fruchtgröße von Blaubeere (SP) zu Kirsche (SLC) und dann zu den weltweit konsumierten sehr großfruchtigen gewöhnlichen Tomaten zunimmt», schreiben die Wissenschaftler. Ihre Analysen bestätigen, dass die Wildform SP aus Südamerika stammt. Doch dass SLC schon eine erste Zuchtvariante der Wildform SP war, schließen sie aus.

Die Geschichte der Domestizierung von Tomaten wird im Allgemeinen als ein "zweistufiger" Prozess dargestellt, bei dem die Fruchtgröße von der von Blaubeeren (SP) zu Kirsch (SLC) und dann zu den sehr großfruchtigen gewöhnlichen Tomaten (SLL), die auf der ganzen Welt konsumiert werden, zunimmt. Alle Anzeichen der Studienanalysen deuten nun aber darauf hin, dass die Zwischengruppe (SLC) in Ecuador - lange bevor die Domestizierung durch den Menschen einsetzte - auftauchte und sich im Laufe der Zeit nach Norden ausbreitete, was darauf hindeutet, dass die Verwendung von SLC durch den Menschen viel später begann.Die Forscher rekonstruierten eine mutmaßliche Domestikationsgeschichte von Tomatengruppen und konzentrierten sich dabei insbesondere auf SLC als noch nicht erforschtes Zwischenstadium. Sie fanden heraus, dass SLC in Ecuador wahrscheinlich als wild lebende Art vor über 78.000 Jahren entstanden ist, wahrscheinlich als Ergebnis geographischer Trennung, die mehr küstennahe SP-Populationen von SLC im Landesinneren separierte.
Die Geschichte der Domestizierung von Tomaten wird im Allgemeinen als ein "zweistufiger" Prozess dargestellt, bei dem die Fruchtgröße von der von Blaubeeren (SP) zu Kirsch (SLC) und dann zu den sehr großfruchtigen gewöhnlichen Tomaten (SLL), die auf der ganzen Welt konsumiert werden, zunimmt. Alle Anzeichen der Studienanalysen deuten nun aber darauf hin, dass die Zwischengruppe (SLC) in Ecuador - lange bevor die Domestizierung durch den Menschen einsetzte - auftauchte und sich im Laufe der Zeit nach Norden ausbreitete, was darauf hindeutet, dass die Verwendung von SLC durch den Menschen viel später begann.Die Forscher rekonstruierten eine mutmaßliche Domestikationsgeschichte von Tomatengruppen und konzentrierten sich dabei insbesondere auf SLC als noch nicht erforschtes Zwischenstadium. Sie fanden heraus, dass SLC in Ecuador wahrscheinlich als wild lebende Art vor über 78.000 Jahren entstanden ist, wahrscheinlich als Ergebnis geographischer Trennung, die mehr küstennahe SP-Populationen von SLC im Landesinneren separierte.

© Abb: Hamid Razifard, University of Massachusetts, Amherst

Demnach hatten beide Formen ihren letzten gemeinsamen Vorfahren vor etwa 78 000 Jahren - lange bevor der Mensch den Kontinent vor etwa 20 000 bis 15 000 Jahren besiedelte. SLC habe sich zunächst im heutigen Ecuador auf natürliche Weise aus SP entwickelt und sich von dort aus nach Norden verbreitet. Da SP vorwiegend in Küstenregionen wachse, sei SLC womöglich durch Anpassung der Pflanze an die Bedingungen im Landesinneren und in höher gelegenen Regionen entstanden, merken die Forscher an.

Dabei entwickelten die ursprünglichen SLC-Formen bereits Eigenschaften, die mit heutigen gezüchteten Tomaten in Verbindung gebracht werden - etwa Tendenzen zu einer größeren Frucht, weniger Zitronensäure und weniger Beta-Carotin. Möglicherweise hätten Tiere Früchte mit solchen Eigenschaften bevorzugt gefressen und so die Samen verbreitet, schreiben die Forscher. Sicher sei das aber nicht.

Neue Zuchtformen mit lauter gesunden Inhaltsstoffen

Kurioserweise verlor SLC viele dieser Eigenschaften wieder, als sich diese Tomaten von Süd- nach Mittelamerika ausbreiteten. An dieser Entwicklung könnte der Mensch durchaus beteiligt gewesen sein: Die mittelamerikanische Variante entstand demnach vor etwa 13 000 Jahren. Vor 7000 Jahren schließlich ging daraus dann im heutigen Mexiko mit der Variante SLL der Vorfahre der modernen Kulturtomate hervor.

Mit ihrer Untersuchung will die Gruppe um Razifard nicht nur die Geschichte der Tomate erhellen, sondern auch Hinweise auf neue Zuchtrichtungen geben - etwa durch Nutzung jener Tomatentypen mit besonders hohem Gehalt des Antioxidationsmittels Beta Carotin oder des etwa Prostatakrebs vorbeugenden Lycopins. (rif/dpa)

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