
© Getty Images/Steve Eichner
Debatte ums „Blaumachen“: Manche Menschen sind immer blau
Ab und an mal blau zu machen ist das eine, sein Leben lang blau zu sein, etwas anderes. Alkoholexzesse sind nicht gemeint, sondern ein seltenes, genetisches Phänomen.

Stand:
Es gibt nur sehr wenige Menschen, die von sich behaupten können, wirklich blaublütig zu sein. Und damit sind keine Königsfamilien gemeint. Deren Blut unterscheidet sich durch nichts von dem des gemeinen Volkes.
Allerdings wären die innerverwandtschaftlichen Paarungspraktiken der Royals eine gute Voraussetzung für blaues Blut, doch dazu später.
Die Rede ist vielmehr von Martin Fugate, einem Franzosen, der 1820 in die USA nach Kentucky auswanderte. Was ihn von den Millionen anderen Einwanderern unterschied: Er hatte blaue Haut.
Kein kaum sichtbares helles Blau, wie nach langen Winterspaziergängen, sondern ein deutliches Blau. So wird erzählt, denn Fotos gibt es nicht, ebenso wenig von den vier blauhäutigen Kindern, von insgesamt sieben, die Martin Fugate mit seiner Frau Elizabeth Smith hatte.

© Walt Spitzmiller
Abgeschieden lebten die Fugates und ihre Nachkommen in Troublesome Creek, südwestlich von Lexington. Nur die Nachbarn wussten von der Besonderheit der scheuen, sich wegen ihrer „fast Indigo-blauen Haut und Fingernägel“ genierenden Familie. Bis in den 1960er Jahren Madison Cawein von der Universität Kentucky auf die Fugates aufmerksam wurde.
Der Arzt besuchte die Familie in der Einöde, die Blut spendete, das Cawein untersuchte. Nach einigen Tests entdeckte der Blutspezialist, dass die normalerweise roten Blutkörperchen blau gefärbt waren. Sie enthielten große Mengen bläulichen Methämoglobins.
Normalerweise entsteht aus dem roten Blutfarbstoff Hämoglobin, der den lebenswichtigen Sauerstoff bindet, nur kurzzeitig Methämoglobin, weil es sofort zurück in Hämoglobin umgewandelt wird.
Doch dafür braucht es ein Enzym, die Diaphorase. Die den blauen Fugate-Familienmitgliedern fehlt, fand Cawein. Weshalb sie, buchstäblich, blaues Blut und damit blaue Haut haben.
Die Mutation im Diaphorase-Gen ist sehr selten. Doch der Zufall wollte es, dass Martin Fugates Frau Elizabeth ebenfalls eine defekte Genkopie hatte. Ihre zweite, intakte Genkopie reichte, um die blaue Farbe zu verhindern.
Blau mit Blau bekämpfen
Die Kinder des Paars, die zwei „blaue“ Genvarianten mitbekamen, wurden jedoch blau. Und da die Fugate-Familie isoliert lebte und nur mit ein, zwei benachbarten, verwandten Familien Erbgut ausgetauscht wurde, blieb das Blau ein steter Begleiter über die Generationen – ähnlich wie die Bluterkrankheit in der britischen Königsfamilie.
Heute wird man keinen blauhäutigen Menschen mehr begegnen. Zwar ist das Gen in den Fugate-Nachkommen weiter präsent. Doch Cawein fand eine Behandlung. Zwar fanden die Fugates die Idee, ihre blaue Haut ausgerechnet mit einem blauen Farbstoff, Methylen, zu behandeln, zunächst irritierend.
Doch wenige Minuten nachdem Cawein die Substanz, die den Abbau des Methämoglobins beschleunigt, gespritzt hatte, verschwand die blaue Färbung. Seitdem reicht täglich eine Tablette Methylenblau, und vorbei ist es mit der Blaublütig- und Blauhäutigkeit.
Was wir zum Leben mitbekommen und was wir weitergeben – jedes Wochenende Geschichten rund um Gene und mehr in der „Erbonkel“-Kolumne.
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: