
© Foto: REUTERS / Baz Ratner
Der Plage zuvorkommen: Modell soll Heuschreckenschwärme vorhersagen
Heuschreckenplagen können Hungersnöte verursachen. Das ließe sich ändern, falls sich ihr Auftreten und Verlauf vorhersagen ließen. Ein neuer Ansatz soll das ermöglichen.
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Sie können Hungersnöte verursachen und die Preise für Lebensmittel in die Höhe schnellen lassen: Heuschreckenschwärme gelten schon in der Bibel als Plage und der Klimawandel mit intensiveren Niederschlägen und höheren Temperaturen scheint das Problem seit Jahren zu verschlimmern.
Besonders schwer wüteten die Insekten zuletzt von 2019 bis 2021 in Ostafrika, auf der Arabischen Halbinsel und in Indien. Nun stellen britische Forschende und Mitarbeiter der UN-Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation (FAO) ein Modell vor, das den Verlauf solcher Plagen für bis zu sieben Tage detailliert vorhersagen soll. So ließen sich Schutzmaßnahmen einleiten, etwa der Einsatz von Pestiziden.
Plötzlich riesige Schwärme
Eigentlich leben Wüstenheuschrecken (Schistocerca gregaria) solitär und ortsgebunden. Doch insbesondere starke Regenfälle, warmes Wetter und starkes Pflanzenwachstum können Populationen plötzlich so stark anwachsen lassen, dass die Tiere in riesigen Schwärmen über weite Strecken ziehen und ganze Landstriche kahlfressen. Solche Wanderungen lassen sich derzeit nicht gut vorhersagen.
Die Reaktion auf die letzte Welle von Heuschrecken war spontan und wenig wirksam.
Renata Retkute, University of Cambridge
Für vorigen Dezember listete die FAO auf ihrer Website lediglich kleinere Ausbrüche in Niger und Sudan. Bei dem letzten großen Ereignis ab 2019 zerstörten die Insekten in einem Streifen von Kenia bis nach Indien Feldfrüchte wie unter anderem Sorghum, Zuckerrohr und Mais.
Das ist gerade für Kleinbauern ein Problem, kann aber auch zu regionalen Hungersnöten führen: Bei solchen Plagen könne die Menge an Heuschrecken, die einen Quadratkilometer bedeckt, an einem Tag Lebensmittel für 35.000 Menschen vernichten.
„Die Reaktion auf die letzte Welle von Heuschrecken war spontan und wenig wirksam“, sagt Erstautorin Renata Retkute von der University of Cambridge. „Wir haben nun ein umfassendes Modell geschaffen, das diese katastrophale Plage beim nächsten Mal kontrollieren könnte.“ Kenne man die Stoßrichtung einer Wanderung, könne man Frühwarnungen ausgeben.
Viele Faktoren beeinflussen Schwärme
Im Fachblatt „PLOS Computational Biology“ stellt das Team diesen Ansatz vor: Er beruht auf einem Modell, das sowohl den Lebenszyklus der Heuschrecken berücksichtigt als auch denkbare andere Einflüsse wie etwa Prognosen zu Temperatur, Niederschlägen sowie Windstärke und -richtung. Zudem erfasst das Modell die Landschaftsform in der Umgebung eines Schwarms, die Pflanzendecke und Bodenfeuchte sowie den Sand- und Lehmgehalt der Böden. Es sind die entscheidenden Faktoren für die Vermehrung der Heuschrecken.

© Keith Cressman, FAO
Für die Entwicklung der Eier müssen gute Bedingungen herrschen, insbesondere brauchen sie weichen und feuchten Boden. Ansonsten hängt die Bewegung des Schwarms vor allem von der Windrichtung ab und von Rastplätzen, die den Schwärmen genügend Futter bieten.
Schnelle Reaktion entscheidend
„Das Entscheidende im Fall einer großen Heuschreckenwelle ist es, schnell zu reagieren, bevor sie große Ernteverluste verursacht“, sagt Studienleiter Chris Gilligan, ebenfalls aus Cambridge. Als Region zum Einrichten und Testen des Modells wählte das Team Ostafrika, insbesondere die Länder Kenia, Dschibuti und Somalia. Im Durchschnitt blieben die Schwärme dort bei dem letzten Ausbruch 2,6 Tage an einem Ort, bevor sie weiterzogen, doch je nach Nahrungsangebot reichte die Rastdauer von einem bis zu sieben Tagen.
Zwar fehlen den Forschenden noch viele Details zur Auswertung jener Heuschreckenplage. Dennoch lasse sich der Verlauf einer Wanderung nun bis zu sieben Tage vorhersagen, schreiben sie. „Während eines Ausbruchs von Wüstenheuschrecken können wir jetzt mehrere Tage im Voraus vorhersagen, wohin die Schwärme ziehen werden“, betont Retkute. „So können wir sie an bestimmten Orten kontrollieren.“
Der Ansatz muss sich noch bewähren - wohl bei der nächsten großen Heuschreckenplage in der Region. (dpa)
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