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Das historische Hauptgebäude der UdK Berlin an der Hardenbergstraße.

© imago/F. Berger

Scheidender UdK-Präsident Rennert: Der stille Avantgardist bleibt

Als Präsident der Universität der Künste geht Martin Rennert in Rente, aber er bleibt Berlin erhalten. Rennert wird Vorstand der Einstein-Stiftung.

Ein Musiker und Manager. Mitunter verbindet sich das bei Charakteren wie einst Herbert von Karajan auch zur genialischen Mischung von Kunst und Geschäft. Aber der international renommierte Konzertgitarrist Martin Rennert hat nicht etwa nur die eigene Muse vermarktet. Er ist vom gefeierten Solisten in die Kulissen der im Alltag oft gremiengrauen Bildungspolitik gewechselt und dabei zum leitenden Teamplayer an der Spitze der größten Kunsthochschule Europas geworden. Das freilich war in der gesellschaftlichen Wirkung wohl noch mehr als allein die künstlerische Selbsterfüllung.

Martin Rennert ist seit seiner Berufung zum Professor für klassische Gitarre im Jahr 1985 an die damalige Hochschule der Künste in West-Berlin rund dreieinhalb Jahrzehnte an der nunmehr gesamtberlinischen Universität der Künste (UdK) tätig, war Dekan der Fakultät Musik und amtiert seit 2006 als Universitätspräsident. Im Januar 2020 scheidet er nun aus Altersgründen aus, wird aber neben zahlreichen Nebenjobs, etwa als Mitglied des Rundfunkrats des RBB, künftig im Vorstand der Einstein-Stiftung weiter wissenschaftspolitisch engagiert sein.

Diese Karriere war ihm nicht an der Wiege gesungen. Rennert kam als amerikanischer Wiener nach Berlin, wurde 1954 als Sohn einer armen jüdischen Flüchtlingsfamilie in New York geboren. Der Vater musste noch als Kind 1938 vor den Nazis aus Wien fliehen und gelangte mit einem Schiffstransport in die USA, kehrte später als junger GI 1945 nach Österreich zurück und ging mit seiner künftigen Frau wieder nach Amerika.

Sehnsucht nach dem europäischen Modell

Doch Martin Rennert erzählt, dass seine Eltern das politische Klima der McCarthy-Zeit kaum ertragen hätten: die Hinrichtung des Ehepaars Rosenberg wegen Spionage für die Sowjetunion in den 50er Jahren und selbst in der Kennedy-Ära noch die im sonst liberalen New York spürbare alltägliche Diskriminierung von Schwarzen. Rennert: „Meine Mutter ist als Schwangere aufgestanden, um älteren schwarzen Frauen im Bus einen Sitzplatz zu geben.“ Es sei diese Erfahrung gewesen, die Rennerts kinderreiche Familie Mitte der 60er Jahre nach Wien zurückkehren ließ.

Rennert hat das auch beim Festakt zu seiner Verabschiedung am vergangenen Wochenende im Konzertsaal der UdK betont: „Für mich ist staatlich betriebene und geförderte Bildungspolitik essenziell, weil ich selbst ohne dieses europäische Modell nie hätte studieren können. In den USA hätten sich meine Eltern für mich kein College leisten können!“

Er holte Ai Weiwei an die UdK

Bei der Verabschiedungsfeier mit illustrem Redereigen, angefangen vom Regierenden und Wissenschaftssenator Michael Müller, wurde Rennert als Mitgründer der Vereinigung Europäischer Kunsthochschulen, als Erfinder des UdK-Musikfestivals oder der Vernetzung „auf Augenhöhe“ mit den drei Berliner Großunis gewürdigt.

Gruppenfoto mit TU-Chef Jörg Steinbach, Beuth-Präsidentin Monika Gross, Wissenschaftssenatorin Sandra Scheeres und UdK Chef Martin Rennert.
UdK-Präsident Martin Rennert (rechts) 2014 nach der Unterzeichnung der Hochschulverträge mit Kolleg*innen und der damaligen Wissenschaftssenatorin Sandra Scheeres.

© Jörg Carstensen/dpa

Der klassische Gitarrist hat nicht zuletzt über immer neue Lehr- und Forschungsbereiche im Zusammenhang von Kunst, Geisteswissenschaft und digitaler Entwicklung innovative Akzente gesetzt. Berlins Ex-Wissenschaftssenator Jürgen Zöller, dem Pfeifenraucher Rennert beim gemeinsamen Tabakkollegium verbunden, brachte es auf die Formel, der scheidende UdK-Präsident sei „ein stets leiser, bescheidener Avantgardist“.

Der Avantgardist aber darf sich durchaus selbstbewusst seines auch von Michael Müller erwähnten Engagements für die Integration von Flüchtlingen rühmen. Aus eigener familiärer Erfahrung sieht er dies als neue bildungspolitische Aufgabe. Und nicht zuletzt gilt die Einstein-Professur an der UdK für den in China verfolgten Künstler Ai Weiwei als Rennerts prominentester Coup.

Tagesspiegelautor Peter von Becker (links) im Gespräch mit Martin Rennert und Ai Weiwei.
Tagesspiegelautor Peter von Becker (links) 2016 im Gespräch mit Martin Rennert und Ai Weiwei.

© Matthias Heyde

Bevor dann zum Abschied das immer fabelhafte Artemis-Quartett („ohne Gage“) Franz Schuberts „Der Tod und das Mädchen“ spielte, betonte Rennert noch, dass man sich ihn nicht als Sisyphos, aber „dennoch frei nach Camus als glücklichen Menschen“ vorstellen dürfe.

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