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Deutschland muss wehrhaft, aber auch sozial sein: Was die Debatte um die Wehrpflicht übersieht
Leidenschaftlich wird über die Wiedereinführung der Wehrpflicht diskutiert. Dabei gerät völlig aus dem Blick, dass auch mal ein verpflichtendes soziales Jahr zur Debatte stand.

Stand:
Erinnern wir uns: Vor gerade drei Jahren diskutierten wir die Einführung eines verpflichtenden sozialen Jahres. Der Bundespräsident hatte es auf die Agenda gesetzt. Nach all den Corona-Jahren brauchte sich die Gesellschaft wie selten zuvor – und war polarisiert wie selten zuvor. Beschworen wurden Solidarität, Respekt und Vertrauen, oft im hoffnungsleeren Imperativ.
Bürgerinnen und Bürger entfremdeten sich von den Institutionen, der Wissenschaft und der Politik, in der Folge auch voneinander. Für den Erhalt der Demokratie ist das besonders schmerzlich.
Ein soziales Pflichtjahr für alle, über Dekaden hinweg immer wieder diskutiert, erschien wie die Patentlösung. Momente und Orte der Begegnung und Hilfe würden es eröffnen, die Kreuzung sozialer Kreise ermöglichen, gesellschaftliches Engagement fördern. Und damit den Abbau von Stereotypisierungen, die die gegenseitige Wahrnehmung oft so verzerren.
Umfragen wurden durchgeführt. Sie ergaben, dass zwei Drittel der Befragten das Konzept unterstützen und mitmachen würden. Es war an die gesamte Bevölkerung gerichtet, nicht auf bestimmte Lebensabschnitte ausgerichtet, inhaltlich offen. Unter dem sozialen oder gesellschaftlichen Jahr wurden Zivildienst wie Wehrdienst gefasst. Das Motto: von allen, für alle.
Heute führen wir eine verengte Diskussion. Die entscheidenden Taktgeber sind nun Kriege und die Sorge um den Verteidigungsfall. Es geht um Männer, um ein zeitlich sehr begrenztes, sehr frühes Fenster im Lebensverlauf, um den Wehrdienst. Freiwillig oder Pflicht sind die verbleibenden strittigen Fragen.
Diese Engführung verpasst eine große Chance und sie ist gefährlich. Die vielen Herausforderungen erfordern inklusive Antworten und eine breite Beteiligung. Von allen, für alle: Demokratie, Zusammenhalt und Verteidigung.
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