
© picture alliance/dpa/Boris Roessler
Die genetische Lotterie von Covid-19: Warum dasselbe Virus unterschiedlich schwere Verläufe verursacht
Dem einen kratzte es nur etwas im Hals, der andere starb an seiner Sars-Infektion. Die Suche nach dem Grund für diese Diskrepanz führt die Forschung zu bestimmten Genvarianten der Patienten.

Stand:
Der Vater einer Freundin starb daran, ein Kollege schaffte es gerade noch, Dutzende Bekannte erzählten von „der schlimmsten Grippe ihres Lebens“ – aber bei vielen anderen verursachte Corona kaum mehr als ein Kratzen im Hals, Husten oder kurzes, leichtes Fieber. Wie kann ein und dasselbe Virus so unterschiedliche Auswirkungen haben?
Die eine Antwort darauf gibt es nicht. Zum einen hat es mit der Menge der Viren zu tun, mit denen das Immunsystem eines Infizierten es anfangs zu tun bekommt. Aber auch die Verfassung eines Menschen im Moment der Ansteckung spielt eine Rolle: Eine gealterte oder von der Party am Vorabend geschwächte Körperabwehr wird die ersten Erreger nicht so effektiv bekämpfen können, wie eine junge und nüchterne.
Wie gut das Immunsystem eines Menschen funktioniert, hängt aber auch von dessen Genen ab. Sie enthalten den Bauplan für die Körperabwehr. Welche der zigtausend Gene des Menschen das sein könnten, hat jetzt ein Team der Uniklinik Bonn (UKB) untersucht.
Sie entdeckten, dass unter 1772 Personen mit schwerem Covid-Verlauf auffallend häufig solche mit inaktivierenden Veränderungen im Gen TLR7 zu finden sind. „Bestimmte Mutationen in diesem Gen erhöhen das Risiko für einen schweren Verlauf deutlich“, sagt Jannik Boos vom UKB. Gleiches gilt für drei weitere Gene: TBK1, INFAR1 und IFIH1, allesamt beteiligt an der angeborenen Immunabwehr, jener Abwehrreaktion, mit der jede Körperzelle gegen Eindringlinge vorgeht und die unabhängig von Antikörpern oder Immunzellen abläuft.
Zwar lässt sich an der Genlotterie nichts mehr ändern, die darüber entscheidet, ob man nun die „richtigen“, intakten und vor schwerem Covid-Verlauf schützenden Varianten dieser Gene erbt. Unnütz ist das Wissen darüber dennoch nicht. So „können wir Risikopersonen identifizieren und besser schützen oder gezielte Therapien entwickeln“, sagt Kerstin Ludwig vom UKB.
Ein Freifahrtschein, coronainfiziert oder anderweitig ansteckend durch die Gegend zu laufen, ist das jedoch nicht. Auch wenn Gene über die Schwere einer Coronainfektion mitbestimmen, ist und bleibt der Haupt-Verursacher immer noch der Erreger. Weshalb jede und jeder auf die Rücksicht seiner Mitmenschen angewiesen ist.
Was wir zum Leben mitbekommen und was wir weitergeben – jedes Wochenende Geschichten rund um Gene und mehr in der „Erbonkel“-Kolumne.
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: