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Wissen: Die Hurrikans sind zurück

Schwere Wirbelstürme im Atlantik nehmen zu. Das ist keine Folge des Klimawandels, sagen schwedische Forscher

Das Rekordjahr war 2005, als 28 Wirbelstürme durch den tropischen Atlantik tobten. Den Höhepunkt bildete Ende August 2005 der Hurrikan Katrina, der in den USA 1800 Tote forderte sowie Sachschäden in Höhe von 81 Milliarden US-Dollar anrichtete. Ist die Zunahme starker Wirbelstürme seit Mitte der 1990er Jahre auf den Klimawandel zurückzuführen? Johan Nyberg vom Geologischen Dienst in Schweden und seine Kollegen glauben das nicht. Wie sie jetzt im Magazin „Nature“ (Band 447, Seite 698) schreiben, sehen sie den Anstieg der Hurrikans eher als Rückkehr zu Verhältnissen, wie sie zwischen 1730 und 1960 üblich waren.

Der Blick auf die Entstehung eines Hurrikans macht dies verständlich. Die Keimzelle könnte irgendwo westlich der Küste Afrikas liegen. Dort hat die Tropensonne das Wasser auf mindestens 26 oder 27 Grad Celsius aufgewärmt. Wie bei einer Herdplatte mit einem Topf darauf verdampft der warme Ozean an der Oberfläche jede Menge Wasser. Feuchte Luft steigt nach oben und kühlt in der Höhe wieder aus. Kühlere Luft kann aber nicht so viel Wasser tragen, ein Teil der Feuchtigkeit kondensiert. Nun bilden sich erst Wolken, dann Gewittertürme.

Doch Wärme allein genügt nicht, sonst müssten im Sommer täglich Wirbelstürme entstehen. Erst wenn hoch oben in der Atmosphäre eine „Wellenstörung“ an einer Stelle den Luftdruck ein wenig tiefer und an anderer Stelle ein wenig höher werden lässt, kann der Wirbelsturm entstehen. Das Gebiet mit niedrigerem Luftdruck saugt zusätzlich feuchte Warmluft vom Meeresspiegel in die Höhe und vergrößert so die Unterschiede im Luftdruck am Boden. „Das verstärkt auch die Winde“, sagt Andreas Friedrich vom Deutschen Wetterdienst (DWD). Zudem wandert diese Störung mit den Höhenwinden nach Westen und sammelt dabei immer mehr Energie. Je mehr Energie und Feuchtigkeit die Tropensonne aber in den jungen Wirbelsturm pumpt, umso schneller wirbeln die Luftmassen um das Auge.

Im Prinzip funktioniere ein Hurrikan nicht anders als eine Wärmekraftmaschine, erklärt Kerry Emanuel vom amerikanischen Massachusetts Institute of Technology (MIT) in Cambridge. Ähnlich wie ein Automotor wandelt ein Wirbelsturm die Wärme in Bewegungsenergie um, die ganze Landstriche verwüsten kann. Auf dem Weg vom tropischen Atlantik in die Karibik wächst der Sturm zum Hurrikan aus mit Windgeschwindigkeiten von mehr als 117 Kilometer in der Stunde. Dazu kann es aber nur kommen, wenn die Winde in der Höhe nicht viel anders als über den Wellen wehen. Wenn schon in fünf Kilometern Höhe Scherwinde auftreten, die kräftig in eine andere Richtung blasen, als es über dem Meer der Fall ist, zerfleddern sie die bis zu zehn Kilometer hohen Wolkentürme und vom Hurrikan bleibt wenig übrig.

Genau diese Windverhältnisse und die Temperaturen der tropischen Karibik haben Nyberg und seine Kollegen für die Vergangenheit untersucht: So wachsen winzige Meeresorganismen, Foraminiferen genannt, besonders gut, wenn viele Nährstoffe im Wasser sind. Blasen nun die Passatwinde in der Karibik kräftig, drücken sie das warme Wasser an der Oberfläche weg. Kaltes Wasser strömt dann aus der Tiefe und spült eine Menge an Nährstoffen nach oben, die wiederum viele Foraminiferen ernähren. Kräftige Passatwinde sorgen aber auch für stärkere Scherwinde, die entstehende Hurrikane praktisch im Keim ersticken.

In den zwischen 1965 und 1971 abgelagerten Schichten des Meeresgrundes finden die Forscher viele Foraminiferen. Das lässt auf starke Passatwinde und wenige Hurrikans schließen – genau das hatten die Meteorologen in dieser Zeit auf Satellitenbildern auch beobachtet. In den bis zum Jahr 1730 untersuchten Meeresbodenschichten gibt es dagegen meist viel weniger Foraminiferen als in den 1970er und 1980er Jahren. Also sollten vor 1965 die Scherwinde seltener und die Hurrikans häufiger gewesen sein. Die Zunahme der Zahl von Hurrikans seit 1995 bedeutet demnach die Rückkehr zum Normalzustand, der zwischen 1730 und 1960 herrschte.

Unterbrochen werden diese Sturmperioden immer wieder einmal von einer Wetter-Anomalie über dem Pazifik, die Meteorologen El Niño nennen. Statt kühlen Wassers schwappen vor der südamerikanischen Pazifikküste in unregelmäßigen Abständen alle paar Jahr warme Wellen an den Strand. Genau in solchen Jahren sind die Scherwinde über dem Atlantik besonders stark und zerstören die Hurrikans schon im Keim, erklärt DWD- Klimaexperte Gerhard Müller-Westermeier. Auch die Foraminiferen in der Karibik weisen in El-Niño-Jahren auf starke Scherwinde und wenig Hurrikans hin.

Wie aber reagieren die Hurrikans in Zukunft auf den Klimawandel? Der Klimaforscher und Hurrikan-Experte Jochem Marotzke vom Max-Planck-Institut für Meteorologie in Hamburg tut sich mit einer Antwort schwer. Wird es wärmer, sollte auch das Meer wärmer werden. Das könnte mehr Energie in die Wärmekraftmaschine Hurrikan pumpen. Andererseits dürfte auch die Atmosphäre in fünf bis zehn Kilometern Höhe mit dem Klimawandel wärmer werden. Das macht die Hurrikans schwächer. Auch könnten sich die Scherwinde in mittleren Höhen ändern und so die Hurrikans häufiger oder seltener zerfleddern.

Welcher Effekt überwiegt, entscheiden auch die Klimastudien nicht eindeutig: Manche Modelle zeigen langfristig wenig Änderung, in anderen heizt der Treibhauseffekt dagegen die Hurrikansaison an. Noch seien die Modelle nicht feinmaschig genug, um die Entwicklung zuverlässig einschätzen zu können, sagt der Hamburger Max-Planck-Forscher Johann Jungclaus. Am zuverlässigsten erscheint seinem Kollegen Jochem Marotzke zurzeit ein Modell des amerikanischen Physikers Tom Knutson aus Princeton. Das sagt bei steigenden Treibhausgasen zunehmende Hurrikanstärke bis Ende des 21. Jahrhunderts voraus.

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