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Viele Geschäfte dürfen ab kommender Woche wieder öffnen. Wichtig bei der Entscheidung ist die Frage: Was hilft bei der Bekämpfung der Pandemie?

© Sebastian Gollnow/dpa/dpa

Epidemiologe zur Lockerung der Corona-Maßnahmen: „Die Regeln müssen nachvollziehbar sein, dann ist die Akzeptanz auch größer“

Die Frage lautet: Was hilft beim Kampf gegen die Pandemie? Aber bei Kindern kommt anderes hinzu, sagt Gérard Krause, Epidemiologe am Helmholtz-Zentrum.

Die bisherigen Beschlüsse zu Einschränkungen sollen laut Beschlussvorschlag des Bundes bis zum 3. Mai verlängert werden – das entspricht in etwa den drei Wochen, welche die Helmholtz-Gemeinschaft in ihrem Papier genannt hat. Ist die Politik damit also auf dem richtigen Weg?

Die Beschlussvorlage ist weitgehend ausgeglichen und vernünftig. Ich finde es aber wichtig, dass in der Beschlussvorlage auch Maßnahmen aufgegriffen wurden, über die in der Diskussion um Einkaufsrechte und Co. kaum beachtet werden. Der Öffentliche Gesundheitsdienst und die Gesundheitsämter müssen zum Beispiel jetzt nachhaltig personell und technisch gestärkt werden, denn sie können die Kontaktpersonen auffinden und betreuen. Zudem weist die Beschlussvorlage richtigerweise darauf hin, dass priorisiert werden muss, wer getestet wird.

Professor Dr. Gérard Krause.
Professor Dr. Gérard Krause.

© HZI/J.Krüger

Die Menschen, die Symptome einer möglichen Infektion mit dem SARS-CoV-2-Virus aufweisen, müssen umgehend getestet werden können. Das Testen ganzer Betriebe kann nicht sinnvoll sein, wenn dann Testkapazitäten dort fehlen, wo sie dringend benötigt werden. Zu Beginn hat es ungefähr einen Tag gedauert, bis die Laborergebnisse vorgelegen haben. Inzwischen sind wir mancherorts bei drei Tagen oder gar mehr. Das ist viel zu lang und darf nicht sein.

Ab dem 4. Mai sollen laut Beschlussvorschlag des Bundes „Schüler der Abschlussklassen und qualifikationsrelevanten Jahrgänge der allgemeinbildenden sowie berufsbildenden Schulen (…) und die letzte Klasse der Grundschule beschult“ werden. Ist das zu früh? Empfohlen werden reduzierte Lerngruppengrößen.

Bei allen Diskussionen wird immer geguckt: Was hilft bei der Bekämpfung der Pandemie? Hier müssen wir aber immer abwägen, weil jede Einschränkung gewünschte oder ungewünschte Nebenwirkungen hat. Wir wissen definitiv, dass junge Menschen kaum schwere Covid-19-Krankheitsverläufe haben.

Was wir nicht wissen, ist, wie junge Menschen zur Weiterverteilung der Infektion an ältere Menschen beitragen und ob sie das Infektionsrisiko der älteren Generation maßgeblich erhöhen. Bei den Abschlussklassen kann der Schulausfall nicht einfach aufgeholt werden, weshalb ich nachvollziehen kann, diesen wieder den Schulbesuch zu ermöglichen. Zumal diese Altersgruppen eher Hygieneempfehlungen einhalten können. Das sieht bei jüngeren Schulkindern anders aus. Hier müssen neben der epidemiologischen Seite auch die pädagogischen und sozialen Aspekte betrachtet werden.

Bibliotheken, Archive, zoologische Gärten, Friseure und Geschäfte bis 800 Quadratmeter Verkaufsfläche sowie Kfz-, Fahrrad- und Buchhändler sollen ebenfalls öffnen dürfen. Kirchen, Moscheen und Synagogen hingegen nicht. Gibt es da aus epidemiologischer Sicht einen begründeten Risikounterschied?

Ich kann nicht nachvollziehen, warum man das an bestimmten Sparten festgemacht. Einzig relevant sind die hygienischen Gründe. Welche Möglichkeiten gibt es, Kontakt miteinander zu vermeiden? Ist dafür ausreichend Fläche vorhanden? Oder Menschen können nur begrenzt gleichzeitig in Räume hineingelassen werden.

Theoretisch könnte auch ein Restaurant wieder öffnen, wenn die Tische weit genug auseinander sind. Die Entscheidung über hygienische Gründe wäre auch aus Kommunikationssicht besser, weil die Menschen es dann besser verstehen, warum manche Bereiche geöffnet und andere geschlossen sind. Es muss nachvollziehbar sein, warum es Regeln gibt und dann ist die Akzeptanz auch höher.

Professor Dr. Gérard Krause ist Leiter der Abteilung für Epidemiologie am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung in Braunschweig.

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