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Der letzte öffentliche Auftritt des Forschers He Jiankui war am 28. November 2018 in Hongkong auf einem Kongress. Informationen über ihn und sein Experimente blockt China ab.

© imago/ZUMA Press

Dokument einer Kurpfuscherei: Details zur Keimbahn-Manipulation an chinesischen Zwillingen veröffentlicht

Die "Crispr"-Babies, die ersten genomeditierten Menschen, sorgten weltweit für Empörung. Jetzt wurden Teile des Manuskripts der Manipulation veröffentlicht.

„Geburt von Zwillingen nach Genomeditierung zum Zweck der HIV-Resistenz“ – so lautet der Titel eines Manuskripts, das der chinesische Forscher He Jiankui vergangenes Jahr den hochrangigen Fachmagazinen „Nature“ und „Jama“ zur Veröffentlichung angeboten hat. Beide lehnten die Arbeit ab – teils aufgrund formeller und wissenschaftlicher Mängel, teils aufgrund ethischer Bedenken. Das berichtet das US-Magazin „MIT Technology Review“ und veröffentlicht darüber hinaus erstmals Auszüge aus dem Manuskript.

Am 25. November 2018 hatte das Magazin bereits darüber berichtet, dass auf einer chinesischen Website für die Anmeldung klinischer Studien Informationen über erbgutverändernde Experimente an menschlichen Embryonen aufgetaucht waren. Daraufhin publizierte auch die Nachrichtenagentur AP, die He bereits Wochen vorher kontaktiert und in sein Labor eingeladen hatte, Details über die Geburt von Zwillingen mit dem Pseudonym „Nana“ und „Lulu“, deren Erbgut He im Gen „CCR5“ verändert und die er dadurch angeblich resistent gegen eine Infektion mit dem Aids auslösenden HI-Virus gemacht habe (siehe Grafik). Zu diesem Zeitpunkt hatte das Fachmagazin „Nature“ Hes Manuskript über die Genomveränderungen bereits seit Längerem vorliegen und prüfte eine Veröffentlichung. Erst am 26. November, als Experten aus aller Welt auf die Neuigkeit reagierten und die Experimente als unethisch und vorschnell geißelten, brach „Nature“ den Prüfprozess ab. Nach Bekanntwerden seiner Experimente versuchte He das Manuskript dann bei der Onlineplattform „bioRxiv“ unterzubringen, Dort können Forscher ihre Arbeiten bereits vor Begutachtung durch Experten zur Kommentierung einstellen. Auch hier hatte er keinen Erfolg: „Wir wollen nicht der Ort sein, wo Leute Dinge veröffentlichen, die für alle anderen unberührbar sind“, zitiert „Technology Review“ einen „bioRxiv“-Redakteur.

Beim medizinischen Fachblatt „Jama“ fand der Forscher mehr Verständnis: „Oft werden wissenschaftliche Durchbrüche als unethisch angesehen, bevor sich das mit der Zeit ändert“, zitiert „Technology Review“ den Chefredakteur von „Jama“, Howard Bauchner. Dennoch ließ er das Manuskript von elf Experten – viel mehr als üblich – überprüfen. Zu einer Veröffentlichung kam es nicht. Dem Genomforscher George Church – einem der Gutachter – zufolge war unklar, ob die im Manuskript behauptete Prüfung durch eine Ethikkommission in China korrekt durchgeführt worden oder ein „Fake“ gewesen sei, wie es eine Meldung der staatlichen Nachrichtenagentur Xinhua bezeichnete.

Ob die Arbeit je vollständig publiziert wird oder werden sollte, ist offen und Gegenstand von Diskussionen. Klar ist aber, dass die wissenschaftliche Qualität gering ist. Das zeigen die jetzt veröffentlichten Auszüge. Demnach ist völlig unklar, ob die Genveränderungen tatsächlich HIVResistenz vermitteln und ob Nana und Lulu mit Nebenwirkungen der Prozedur rechnen müssen – wenn die Zwillinge denn überhaupt existieren. Denn auch dafür fehlt nach wie vor jeglicher Beweis. Sascha Karberg

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