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Droht im Winter Gasknappheit?: Was es bedeutet, dass die Speicher in Deutschland ungewöhnlich leer sind
Die Gasspeicher in Deutschland sind aktuell so niedrig befüllt wie seit Jahren nicht mehr. Offiziell besteht kein Grund zur Sorge. Experten aus der Forschung sehen das ähnlich, warnen aber vor möglichen Engpässen.
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Der Füllstand der deutschen Gasspeicher ist derzeit ungewöhnlich niedrig – niedriger als zu diesem Zeitpunkt in den Vorjahren. Offiziell besteht aber kein Grund zur Sorge. Doch könnte sich die Lage schneller zuspitzen, als die Behörden erwarten.
Der aktuelle Füllstand der Gasspeicher liegt unter dem zu Jahresbeginn – ein Wert, der seit 2011 nur zweimal erreicht wurde, zuletzt 2021 kurz vor dem Angriff Russlands auf die Ukraine. Zwar werden die Speicher seit März wieder befüllt, doch das Tempo bleibt hinter dem der Vorjahre zurück.
Bundeswirtschaftsministerium, Bundesnetzagentur und Gashändler sehen derzeit keine Engpässe und bewerten die Versorgungslage als stabil. Forschende warnen jedoch vor vorschnellen Einschätzungen: Wie belastbar sind die Speicher angesichts ihres niedrigen Füllstands, und welche Faktoren könnten die Versorgung gefährden?

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Ein deutsches Phänomen
Franziska Holz vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung DIW Berlin sieht das niedrige Niveau vor allem als ein deutsches Phänomen: Anfang Oktober 2025 waren die Speicher in Deutschland im Schnitt zu etwa 76 Prozent gefüllt, der EU-Durchschnitt lag bei knapp 83 Prozent.
Ich kann für die nächsten Monate keine Einschränkungen absehen, die die Erdgasversorgung gefährden würden.
Franziska Holz, Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung
DIW-Expertin Holz sieht keinen Grund zur Panik: Die Speicherstände von 70 bis 80 Prozent gelten aktuell als unproblematisch. Denn ein Großteil des Gasbedarfs in Europa – auch im Winter – könne jederzeit aus Importen, etwa aus Norwegen oder per Flüssigerdgas (LNG), gedeckt werden. „Ich kann für die nächsten Monate keine Einschränkungen absehen, die die Erdgasversorgung gefährden würden“, sagte sie dem Science Media Center Deutschland (SMC).

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Flexible Vorgaben und günstige Preise hätten zwar dazu geführt, dass die Speicher bislang langsamer gefüllt wurden. Doch Deutschland verfüge im Vergleich zu anderen europäischen Ländern über sehr umfangreiche Speicheranlagen.
Der aktuelle Füllstand von rund 76 Prozent – das entspricht 191 Terawattstunde (TWh) – macht mehr als 20 Prozent des Jahresverbrauchs aus. Damit könnten die Speicher den Winterbedarf von etwa 125 TWh pro Monat allein für mehr als einen Monat allein decken. Gleichzeitig sei der Erdgasverbrauch in den vergangenen Jahren relativ stabil, so Franziska Holz.
Jochen Linßen vom Forschungszentrum Jülich kommt zu einer ähnlichen Einschätzung. Die neuen LNG-Terminals in Deutschland ermöglichen aktuell eine Versorgung auf hohem Niveau von 350 bis 450 Gigawattstunden (GWh) pro Tag. Hinzu kommen stabile Pipeline-Importe aus Norwegen, den Niederlanden und Belgien.
Niedrige Nachfrage im Winter erwartet
Die aktuell vergleichsweise niedrigen Speicherstände erklärt Linßen durch gesenkte gesetzliche Vorgaben und geringere wirtschaftliche Anreize für eine frühe Befüllung. Für den Winter rechnet er mit einer niedrigeren Nachfrage als in den Jahren 2018 bis 2021, sowohl in der Industrie als auch bei Privathaushalten.
Dennoch könnte die Lage kippen: Zum Beispiel könnte eine Verschärfung der Sicherheitslage in LNG-exportierenden Ländern die Versorgung negativ beeinflussen.
„Treten mehrere Effekte zusammen – etwa ein sehr kalter Winter gepaart mit einer lebhaften Konjunktur – kann dies die aktuell schwache Nachfrage deutlich erhöhen“, warnt Linßen. Er empfiehlt, diese Faktoren in den kommenden Monaten genau zu beobachten.
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