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Die Medizinethikerin Alena Buyx vom Institut für Geschichte und Ethik der Medizin der Technischen Universität München ist Mitglied im Deutschen Ethikrat.

© A. Buyx/ethikrat.org

Die Ethik von Keimbahneingriffen: "Ein solcher Schnellschuss ist absolut unethisch"

Menschen vor Aids zu schützen, ist ein "hochrangiges" Ziel. Doch der Weg dahin, den Forscher Jiankui He wählte, sei "unethisch", sagt Alena Buyx vom Ethikrat.

Nana und Lulu sollen die Zwillingsmädchen heißen, die laut dem chinesischen Forscher Jiankui He mit einer Veränderung im Gen CCR5, die resistent gegen HIV macht, bereits vor Wochen geboren wurden. Die Frage, inwieweit diese am Montag bekannt gewordenen Experimente ethisch vertretbar sind, hat die Medizinethikerin Alena Buyx von der Technischen Universität München und Mitglied im Deutschen Ethikrat dem Tagesspiegel beantwortet.

Frau Professor Buyx, ist die Methode des chinesischen Forschers He Jiankui ethisch vertretbar?

Die Methoden an sich sind aus meiner Sicht zunächst ethisch neutral, es kommt jedoch immer darauf an, zu welchem Ziel man die Methode einsetzt und wie man das tut. Das Ziel von He Jianku, war die HIV-Resistenz, an sich ein durchaus hochrangiges Ziel. Hier war das „Wie“ das Problem; der Forscher hat sämtliche Kriterien einer verantwortungsvollen Forschung ignoriert. Die gesamte Wissenschafts-Community war sich einig, dass es noch zu früh ist, diese Technologie in dieser Weise am Menschen zu erproben. Ein solcher Schnellschuss ist absolut unethisch.

Aber ist es nicht sinnvoll, Gentechnik für die Heilung von Krankheiten einzusetzen?

Grundsätzlich ist es sinnvoll, wenn solche Forschung in einer verantwortungsbewussten Art und Weise geschieht und nicht einfach an Menschen „herumprobiert“ wird – denn nach gegenwärtiger Information war die Forschung von He Jianku ein solches „Herumprobieren“. Gegenstand der Debatte wird dann auch sein müssen, ob man zwischen der Heilung von Krankheiten und dem „Enhancement“, also der Optimierung, unterscheiden kann und soll. Aus Bevölkerungsbefragungen geht etwa hervor, dass der Großteil der Menschen die CRISPR/Cas9-Technologie akzeptabel findet, wenn damit eine Krankheit behandelt werden soll, aber kritisch ist, wenn es um eine bloße Optimierung geht. Da befinden wir uns in einer Grauzone, was nicht heißt, dass man nicht regulatorisch eingreifen kann. Man könnte dann zum Beispiel für krankheitsorientierte Anwendungen eine positive Empfehlung abgeben und für andere nicht.

Was muss jetzt in Deutschland geklärt werden?

An dieser Forschung hängen eine ganze Reihe von zusätzlichen ethischen Fragen, die bedacht werden müssen, zum Beispiel: Welche Effekte hat diese Technologie auf die gesellschaftliche Solidarität? Müssen wir in Zukunft eine Ausgrenzung bestimmter Gruppen fürchten, die eine solche Genbehandlung nicht vornehmen? Droht uns eine Zwei-Klassen-Gesellschaft zwischen denen, die sich eine solche Behandlung leisten können und denen, die das nicht können? Auch ist die Forschung an Embryonen gesetzlich noch nicht ausreichend geregelt. Denn das Embryonenschutzgesetz ist ein Strafgesetz und kein Forschungsgesetz, es geht also zum Teil an der Realität aktueller CRISPR/Cas9-Forschung vorbei. Das zeigt, wie wichtig eine umfassende Debatte ist.

Regina Wank

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