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Entspannungsschalter in der Haut: Sensoren, mit denen Mütter ihre Babys beruhigen können
Sie sind die Verbündeten übernächtigter Eltern: Überall in der Haut Neugeborener versteckt liegen Nervenfasern, die nur auf eine ganz bestimmte Berührung reagieren. Und die nur einem Zweck dienen.

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Warum, bitteschön, wird dieses überlebenswichtige Wissen nicht jedem Elternpaar mitgegeben, sobald sie ihr erstes Kind von der Säuglingsstation mit nach Hause nehmen? Als Gebrauchsanweisung, gewissermaßen. Vielleicht hätte das zu ein paar mehr Minuten dringend benötigtem Schlaf geführt in den vielen Nächten, die der Erbonkel mit seiner quengelnden Tochter auf dem Arm verbracht hat.
Die Rede ist von einer Entdeckung ganz bestimmter Nerven, „C-taktile Fasern“ genannt. Sie sind in der Lage, Babys ein angenehmes, beruhigendes Gefühl zu vermitteln. Allerdings nur, wenn sie auf eine ganz bestimmte Art und Weise gereizt werden.
Die Haut ist voll von Sensoren und Nervenzellen, die ständig Signale durch den Körper bis ins Gehirn senden. Nur deshalb wissen wir zu jeder Zeit, wo sich unser linker großer Zeh befindet, ob uns gerade ein Hammer darauf gefallen ist, wir über Kohlen laufen oder in kaltes Wasser springen.

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Spezialisiert auf eine bestimmte Berührung
Die C-taktilen Fasern jedoch lässt das alles kalt. Sie reagieren einzig und allein auf einen ganz bestimmten Reiz: Die Berührung von etwas, das etwa 32 Grad Celsius warm ist und mit etwa drei Zentimeter pro Sekunde sanft über die Haut streicht. Nur dann schicken diese Nervenfasern Signale in eine spezielle Region im Gehirn, den insularen Kortex für die Verarbeitung von Gefühlen: „Alles ist gut, bitte entspannen.“
Aber wozu soll das gut sein, fragten sich die Neurobiologen? Warum hat sich in der Evolution des Menschen ein derart spezieller Sinn entwickelt? Zumal es schon andere Nerven gibt, die auf Berührung reagieren. Jahrelang rätselten Forscher. Bis sich das Forschungsteam der Psychologin Ilona Croy, inzwischen an der-Uni Jena, entschloss, über 50 Mütter mit ihren Babys in einen Raum zu führen und per Video zu beobachten.
Während diese Mütter also gelangweilt in dem Raum saßen und warteten, was nun passieren würde, streichelte jede einzelne ihr Baby mit eben dieser Bewegungsgeschwindigkeit, drei Zentimeter pro Sekunde, über Wange, Ärmchen, Kopf oder Beinchen.
Weitere Untersuchungen ergaben, dass die so ausgelösten Signale der C-taktilen Fasern die Herzfrequenz der Babys und die Konzentration von Stresshormonen im Blut senkten. Ein eingebauter Beruhigungsschalter, der jedem Baby von Natur aus mitgegeben wird. Und den Mütter instinktiv zu bedienen wissen.
So, Väter, jetzt wisst ihr es auch: Wippen und schaukeln allein reicht nicht. Versucht es mal mit zärtlichem Streicheln.
Der „Erbonkel“ – Geschichten rund um Gene, jedes Wochenende.
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