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Austernbänke, wie hier in der Bretagne, binden klimaschädlichen Kohlenstoff.

© IMAGO/imageBROKER/Peter Fischer

Esst Austern!: Muschelzucht bindet klimaschädlichen Kohlenstoff

So gut die Weichtiere mit der harten Schale schmecken, so gut wirken Austernbänke offenbar dem Klimawandel entgegen. Jedenfalls legt das eine aktuelle Studie nahe.

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Zwischen 4,50 Euro und 7,50 Euro kostet eine einzige Auster in der Gourmetabteilung des Berliner Kadewes. In der französischen Bretagne, wo die Ostreidae in fast jeder zweiten Bucht in Massen gezüchtet werden, bekommt man sie schon für 50 Cent. Entsprechend unverkrampft und ohne anstrengende „Ich kann mir das eben leisten“-Attitüde werden Austern dort als leckerer, aber eben ganz gewöhnlicher Gaumenschmaus verspeist.

Hinzu kommt, dass man beim Verzehr der Weichtiere kein schlechtes Gewissen haben muss, der Umwelt zu schaden. Zum einen tragen die Filtrationskünstler – 240 Liter pro Tag pro Muschel! – dazu bei, dass die Küstengewässer sauber bleiben. Zum anderen sind Austernbänke offenbar eine wirksame Strategie zur Bindung von Kohlenstoff, können also den Klimawandel bremsen. Jedenfalls legt das eine aktuelle Studie im Fachblatt „PNAS“ nah.

Kohlenstoffsenke Austernbank

Ein Forschungsteam um Xue-Wei-Jie Chen von der Ocean University of China in Qingdao (nördlich von Shanghai) hat 120 Tage lang gemessen, wie viel Kohlenstoff unterschiedlich dicht besetzte Kolonien Pazifischer Austern binden können. Dazu maßen sie in den Freiwasserbecken beispielsweise, wie viel Kohlendioxid aus der Seeluft im Meerwasser gelöst wird.

Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass Austernzuchtanlagen CO₂ aus der Atmosphäre in den Ozean binden.

Xue-Wei-Jie Chen et al., Ocean University of China, Qingdao

Im Vergleich zu Freiwasserbecken ohne Austern stellten die Forschenden in Becken mit Austern höhere Konzentrationen an gelöstem organischem Kohlenstoff in der Wassersäule fest. Auch in den Sedimenten unter den Austernbänken fanden sie mehr gebundenen Kohlenstoff. Die Konzentration an im Wasser gelöstem CO₂ und anderen Kohlenstoffverbindungen fiel hingegen geringer aus.

Mit anderen Worten: Austernbänke entziehen der Atmosphäre in der Summe Kohlenstoff, wirken dem Treibhauseffekt also entgegen: ein Stück weit. Stoppen lässt sich der Klimawandel so natürlich nicht: Viel zu klein fällt die Menge des gebundenen Kohlenstoffs aus im Vergleich zu den riesigen Mengen, die aufgrund des menschlichen Lebenswandels noch immer Jahr für Jahr in die Atmosphäre gelangen. Außerdem haben die Forschenden die Emissionen nicht einberechnet, die beim Pflegen der Austernbänke und beim Transport der Muscheln in die Gourmetrestaurants der Welt entstehen.

An Austern scheiden sich die Geister. Für die Umwelt sind die Meeresfrüchte jedenfalls sehr bekömmlich.

© dpa/Michelle Ostwald

Der Beitrag von Austernbänken zum Klimaschutz fällt also bescheiden aus. Auch wenn zu dem gemessenen Effekt zusätzlich auch noch die in den Schalen der Austern gebundenen Kohlenstoffmoleküle hinzugerechnet werden. „Über den gesamten Versuchszeitraum hinweg war die durch die Austern produzierte organische Kohlenstoffbindung 2,39-mal höher als die in Austernschalen gebundene CO₂-Menge“, schreibt Chens Team. „Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass Austernzuchtanlagen CO₂ aus der Atmosphäre in den Ozean binden.“ Austernzucht könne also eine „skalierbarer, naturbasierter“ Weg sein, um dem Klimawandel entgegenzuwirken, so die Forscher.

Wobei das Wort „skalierbar“ zu hinterfragen ist. Zum einen wachsen Austern nicht überall, sie bevorzugen flache, felsige Tidengewässer und hinreichend sauberes Wasser.

Und zum anderen sind Austern nicht jedermanns Sache. Womöglich wollen nicht alle Menschen jeden oder jeden zweiten Tag schlüpfrige Mollusken schlürfen. Auch dann nicht, wenn der Preis rapide sinkt, weil weltweit Massen von Austernzuchten aus den Meeresböden schießen, um das Klima zu retten. Immerhin wären Austern dann keine exklusive Delikatesse für Reiche mehr – sondern eine gesunde, proteinreiche Mahlzeit für alle, die sie mögen.

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