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Stimmzettel werden in einen Karton mit dem AfD-Logo gesteckt.

© Uli Deck/dpa

Streit um AfD-Stiftung: EU-Kommissar könnte gegen "Erasmus"-Stipendien vorgehen

Die AfD plant die Gründung einer parteinahen "Erasmus"-Stiftung, falls sie in den Bundestag kommt. Auf Anfrage der Grünen äußert sich der zuständige EU-Kommissar besorgt - wegen der Namensgleichheit mit dem EU-Stipendienprogramms Erasmus.

Die EU-Kommission ist besorgt über die Namensgebung der geplanten Stiftung der Alternative für Deutschland (AfD). Die Euro-kritische und rechtspopulistische Partei hatte im März erklärt, eine "Desiderius Erasmus von Rotterdam-Stiftung" gegründet zu haben – benannt nach einem der bedeutendsten Vertreter des europäischen Humanismus. Die Namensgebung könnte zu einer Verwechslung mit dem EU-Stipendienprogramm für Studierende, Erasmus+, führen, schreibt der EU-Kommissar für Kultur und Bildung, Tibor Navracsics, selber Mitglied der rechtsnationalen und europaskeptischen ungarischen Fidesz-Partei. Dies wäre allerdings nur der Fall, wenn die Stiftung Stipendien mit der Bezeichnung Erasmus vergeben würde. Dann stünde es der EU-Kommission frei, gegen eine Verletzung von Markenrechten vorzugehen.

"Hochproblematisch und inakzeptabel"

Das Schreiben ist an Kai Gehring, den bildungspolitischen Sprecher der Grünen im Bundestag gerichtet. Dieser hatte im März die „Vereinnahmung von Erasmus durch die AfD“ scharf kritisiert und Navracsics um eine Stellungnahme gebeten. Das Erasmus-Programm werde in Deutschland als "europäisches Symbol für Weltoffenheit und internationalen Austausch sehr geschätzt". "Hochproblematisch und inakzeptabel" nennt Gehring die Wahl des Namens durch die AfD als einer Partei, "die durch die deutsche und europäische Parteienforschung als europa- und eurokritisch sowie rechtspopulistisch charakterisiert wird".

Der EU-Kommissar geht nicht auf politische Kritik ein

Navracsics dankt Gehring in einem Schreiben von Anfang August für dessen "engagierten Einsatz für die Wahrung der Interessen der EU" - "insbesondere was den Schutz des Markennamens Erasmus + betrifft". Es liege im Interesse der Europäischen Kommission, "das Image des Erasmus + Programms als wertvolle Lernerfahrung zu stärken". In einem ersten Schreiben aus dem Mai diesen Jahres hatte der EU-Kommissar Gehring aber beschieden, "dass die Verwendung des Namens Erasmus durch eine politische Stiftung, deren Ziele wissenschaftliche Forschung und Durchführung von Fortbildungen sind, keine Verletzung der Gemeinschaftsmarke darstellt". Auf Gehrings politische Kritik an der AfD geht Navracsics in keinem der beiden Briefe ein.

"Wir wollten mit der Wahl des Namens Erasmus ein Signal senden, dass wir nicht europafeindlich sind", sagt AfD-Sprecher Götz Frömming, der im März auch als stellvertretender Vorsitzender der Stiftung präsentiert wurde. Der designierte Vorsitzende, Konrad Adam, damals noch Mitglied im Bundesvorstand der AfD, berief sich auf Erasmus von Rotterdam als "Vertreter des Toleranzgedankens", der "sowohl gegenüber der katholischen als auch gegenüber der neu gegründeten protestantischen Kirche bewusst Distanz gehalten", sich also "jeder Meinungs- und Gesinnungskontrolle entzogen" habe. Deshalb sei er ein guter Patron für die AfD-Stiftung. Heute sagt Adam, die Namenswahl solle "klar machen, dass die Partei zwar für ein gemeinsames Europa, aber gegen die zwangsweise Währungsunion ist". Eine Verwechslungsgefahr mit dem EU-Stipendium könne nicht bestehen, weil die AfD ja Erasmus vollen Namen nutzen wolle.

Eine eigene Stiftung ist in der AfD selber umstritten

Auch die Union hatte die Namensgebung im März kritisiert. Umstritten war sie indes in der AfD selber. Diese hatte zuvor die Bundesfinanzierung von Einrichtungen wie der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung infrage gestellt. "Und jetzt wollt ihr selber an die Futtertröge?", sei den Gründern aus den Reihen der AfD entgegengehalten worden, sagt Frömming. Zudem gab es in der Partei Diskussionen um die Finanzierung der Stiftung. Ein fünfstelliges Startkapital sollte unter anderem aus dem Vermögen eines Fördervereins der AfD-Vorgängerin "Wahlalternative 2013" kommen, wurde aber nicht freigegeben. Ursprünglich sollte ein Parteitag über die Stiftung befinden, doch nachdem das Treffen im Juli zur Zerreißprobe für die AfD wurde, kam es nicht dazu.

Nicht nur deshalb ist vollkommen offen, ob jemals eine AfD-nahe Parteienstiftung Stipendien an Studierende vergeben wird. Bislang existiere nur ein AfD-naher Verein, der den Namen des Desiderius Erasmus von Rotterdam trage, sagt Frömmelt. Adam - seit dem Parteitag nicht mehr im AfD-Vorstand - sei Vorsitzender, er Stellvertreter, doch die Arbeit des Vereins ruhe derzeit. Eine Stiftung nach dem Muster der anderen Parteien könnte ohnehin erst gegründet werden, wenn die AfD in den Bundestag einziehen sollte. Dass die Grünen bei dem EU-Kommissar vorstellig geworden sind, nennt Adam ein "Störmanöver".

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