
© Pavol Hnila
Fisch im Hochgebirge : Berliner erforschen Kulturerbe in Armenien
Berliner Archäologen begannen vor zwölf Jahren, rätselhafte Gesteinsbrocken im Gebirge Armeniens zu untersuchen. Jetzt beantragt das Land den Weltkulturerbestatus für den Fundort.
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Zwei bis fünf Meter groß sind die Basaltstelen, ihre Enden sind mit Fisch- oder Widderköpfen verziert. Kurios: Sie liegen auf einem Berg in Armenien, in 2800 Meter Höhe. Was die monumentalen Skulpturen im Hochgebirge zu suchen haben, war lange Zeit unklar.
Jetzt hat die Regierung Armeniens sogar beantragt, den Fundort Tirinkatar in die Weltkulturerbeliste der UNESCO aufzunehmen. Das ist vor allem drei jungen Forschenden zu verdanken, die die Steine im Rahmen eines Projekts von der Freien Universität (FU) Berlin erforschen.
Alessandra Gilibert und Pavol Hnila suchten 2012 an der FU ein geeignetes Projekt im Vorderen Orient. Ihr Tübinger Studienfreund Arsen Bobokhyan, heute Forscher an der Nationalen Akademie der Wissenschaften Armeniens, hatte eine Idee: Es gebe da rätselhafte und bisher kaum untersuchten „Drachensteine“ im Hochland von Armenien.

© Arsen Bobokhyan
Bis dato wusste man aus der Literatur gerade einmal, dass es sogenannte „Vischaps“ – das armenische Wort für Drachen – in den Bergen des Südkaukasus gab. Russische Archäologen hatten 1909 die Stelen erstmals dokumentiert, doch ein Teil ihrer Aufzeichnungen war verloren gegangen.
Fische auf der Weide
„Wir brachen 2012 zu einem Survey (Geländebegehung) ins Hochgebirge von Armenien auf, um die Steine zu kartieren, den Bezug zur Landschaft, zum Wasser und den Seen in den Blick zu nehmen“, erzählt Hnila. „Dabei half uns auch die lokale Bevölkerung, die auch heute noch drei Monate im Sommer mit ihren Tieren auf den Weiden im Hochgebirge verbringt.“ Hirten suchen die saftigen Weiden in der Höhe auf und berichteten immer wieder von diesen mysteriösen Steinskulpturen.
So stießen sie auf den besonders ergiebigen Fundort Tirinkatar, der sich an den Südhängen des Aragaz befindet, dem höchsten Berges Armeniens. „Wir fanden im ersten Jahr zehn Stelen verstreut, zum Teil zerschlagen, zum Teil nachträglich mit Kreuzen versehen, jetzt haben wir 13,“ sagt Hnila.

© Arsen Bobokhyan
Manche hatten Fischköpfe, andere einen wellenartig gestalteten Körper, der an Fell erinnert. Trotz unterschiedlicher Gestaltung gehören beide Typen zusammen: Anderswo fanden sich Stelen mit einer Kombination beider Dekors. Sogar Steinwerkzeuge tauchten auf, die für die Bearbeitung genutzt wurden.
Wozu dienten die Steine?
Die erste Grabung führte zu einer Überraschung: Dicht unter der Erdoberfläche legten das Archäologenteam einen Kreis von Steinen frei, in dessen Mitte ein Drachenstein förmlich „bestattet“ war. Diese kreisrunde Struktur konnten die Archäologen auf die mittlere Bronzezeit datieren, also etwa 2200 Jahre vor unserer Zeitrechnung. Dieser Hinweis stellte sich aber als falsche Fährte heraus.

© Pavol Hnila
„Aber uns war schnell klar, dass dies nicht der ursprüngliche Kontext war“, sagt Hnila. Die Stele sei sekundär dort platziert worden. Weitere Grabungen förderten drei Gruben ans Licht, in einer davon stand noch der „Fuß“ der zerstörten Vischap, umgeben von verbrannten Tierknochen, die wahrscheinlich bei Ritualen geopfert und bei hohen Temperaturen verbrannt wurden. Diese Knochen konnte man etwa auf das Jahr 4000 vor unserer Zeit datieren.
Dies deutet auch auf eine mögliche ursprüngliche Bedeutung, die mit Wasser verbundene religiösen Vorstellungen zu tun haben könnte. Noch heute erzählen sich die Menschen dort Sagen über Fischgottheiten und Drachengeister.
Spuren aus sechs Jahrtausenden
Mit ihren 6000 Jahren gelten die „Drachensteine“ als die ältesten bekannten monumentalen Statuen im Kaukasus – Grund genug, in dem Gebiet weiterzuforschen. In den letzten elf Jahren Arbeit habe man inzwischen Hinterlassenschaften mehrerer Epochen gefunden, berichten die Forschenden.
Doch für die Zeit zwischen 4000 und 2700 und von 800 vor bis 800 nach unserer Zeitrechnung gäbe es keinerlei Siedlungsspuren, was man sich noch nicht erklären könne, sagt Hnila.
Mittlerweile haben die Archäologen mit Drohnen und Georadar das Gebiet kartiert und dabei noch nicht ausgegrabene Strukturen entdeckt, die auf Siedlungen hindeuten könnten. „Das Hochgebirge ist ein noch weitgehend unerforschter Raum, der insgesamt ein großes Potenzial für künftige Forschungen bietet“, sagt Hnila. Noch längst sei auf dem 370 Hektar großen Areal nicht alles gefunden.
Update: In einer früheren Version des Texts wurden die Stelen („Drachensteine“) als die ältesten Monumentalstatuen der Welt bezeichnet. Das ist nicht richtig, sie sind die ältesten Kaukasus. Wir haben den Fehler korrigiert.
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