zum Hauptinhalt
Zerstörung durch auftauenden Permafrostboden in Alaska.

© Gabriel Bouys, AFP

Klimawandel in der Arktis: Forscher stellen beängstigende Erosion fest

Der Permafrostboden in Sibirien wird durch die Erderwärmung immer stärker in Mitleidenschaft gezogen. Polarforscher kommen zu alarmierenden Ergebnissen.

Das Abtauen des dauerhaft gefrorenen Bodens in Sibirien hat inzwischen enorme Ausmaße erreicht. Zu diesem Schluss kommen Wissenschaftler des Alfred-Wegener-Instituts für Polar- und Meeresforschung (AWI). Durch die Auswertung von historischen Satellitenbildern aus Sibirien konnten die Experten um Matthias Fuchs zeigen, dass der Permafrostboden im Delta des sibirischen Flusses Lena seit den 1960er Jahren immer stärker erodiert. Im Umfeld des Flusses haben die Polarforscher ein  „beängstigendes Ausmaß der Erosion“ festgestellt. Dort breche das Ufer jährlich um fast 16 Meter ab. So würden viele Tausend Jahre alter Permafrostboden verloren gehen. Die Forschungsarbeit der AWI-Gruppe ist unlängst im Fachmagazin "Frontiers in Earth Science" erschienen.

Die Arktis erwärmt sich weltweit am stärksten

Während sich der Fluss Lena Mitte der 1960er Jahre noch um durchschnittlich knapp fünf Meter ins Land fraß, wurde der Permafrostboden nach den Ergebnissen der Forscher zwischen 2015 und 2018 jährlich um fast 16 Meter abgetragen. Insgesamt habe das untersuchte Sobo-Sise-Kliff von 1965 bis 2018 zwischen 322 und 679 Meter verloren. 

Blick auf das Sobo-Sise Kliff mit abgebrochenen Blöcken am Strand der Lena. 
Blick auf das Sobo-Sise Kliff mit abgebrochenen Blöcken am Strand der Lena. 

© Alfred-Wegener-Institut/Thomas Opel

Die Permafrostböden der arktischen Küsten von Kanada, Russland und Alaska  sind über viele Jahrtausende tiefgefroren. Heute werden sie immer stärker durch Wellenschlag und Flussströmungen abgetragen. Ein Grund dafür ist, dass die warme Jahreszeit dort heute immer länger dauert. Die Arktis erwärmt sich aktuelle stärker als jede andere Region der Erde. Der Permafrostboden am Sobo-Sise-Kliff ist rund 50 000 Jahre alt und hat sich während der letzten Eiszeit gebildet. Der Boden besteht zu 88 Prozent aus Eis, der Rest aus Torf, Schluff und Sand. Vor allem der Torf enthält viel Kohlenstoff und Stickstoff, die in den Pflanzen gespeichert sind. 

Auftauender Permafrost heizt Treibhauseffekt weiter an

Die AWI-Experten nahmen im Lena-Delta Bodenproben um zu analysieren, wie viel Kohlenstoff und Stickstoff darin enthalten ist. „Es ist erstaunlich, dass die Sobo-Sise-Klippe so viel organisches Material enthält, obwohl sie zum großen Teil aus Eis besteht", sagt Fuchs. In einem Kubikmeter fanden die Forscher durchschnittlich rund 26 Kilogramm Kohlenstoff und zwei Kilogramm Stickstoff. Damit seien allein zwischen 2015 und 2018 rund 15.000 Tonnen Kohlenstoff und immerhin etwa 1000 Tonnen Stickstoff in den Fluss gelangt. 

Kohlenstoff und Stickstoff sind wichtige Nährstoffe für Mikroorganismen. Wenn Mikroben den Kohlenstoff abbauen, dann setzen sie Kohlendioxid frei. "Der Abbau des Permafrostbodens trägt auf diesem Wege also zum Treibhauseffekt bei, indem er schon abgelagerten Kohlenstoff wieder mobilisiert", erklärt Fuchs. Der auftauende Permafrostboden heizt damit den Treibhauseffekt also weiter an.

Zum anderen steigt durch den intensiven Eintrag von Kohlenstoff und Stickstoff in die Lena das Nährstoffangebot im Flusswasser. Welche Folgen das hat, wollen die Forscher in weiteren Studien herausfinden.

Das Untersuchungsgebiet der Forscher ist das gut eineinhalb Kilometer lange Sobo-Sise-Yedoma-Kliff, an dem der Permafrostboden steil in einen Flussarm der Lena abfällt. An seiner höchsten Stelle ragt es 27 Meter auf – so hoch wie ein mehrstöckiges Haus. „Permafrostboden geht seit vielen Jahren rund um die Arktis in großer Menge verloren“, sagt Matthias Fuchs. „Doch das Sobo-Sise-Yedoma-Kliff können wir zweifellos als einen Brennpunkt bezeichnen.“ 

Unterspültes Kliff mit mit heraushängenden „Torfnasen“.
Unterspültes Kliff mit mit heraushängenden „Torfnasen“.

© Alfred-Wegener-Institut/Matthias Fuchs

Den Forschern sind nur wenige Gebiete bekannt, in denen der Landverlust so groß ist. „Bedenklich ist, dass sich das Abtauen und die Verluste in den letzten Jahren derart verstärkt haben.“

Der Rückgang des Permafrostbodens ist für die Anrainerstaaten der Arktis ein großes Problem. „Vor allem in Sibirien werden einige Eisenbahnlinien nicht mehr befahrbar, weil die Schienen wegsacken“, nennt AWI-Forscher Hans-Wolfgang Hubberten als Beispiel.  

Erdöl-Pipelines werden instabil

An einem Flughafen in Sibirien könne die Landebahn an manchen Stellen nicht mehr verwendet werden, weil sie durch den tauenden Permafrost absinkt.  In Russland, Alaska und Kanada würden Erdöl-Pipelines instabil. Auch werden die Küsten stärker abgetragen, wodurch Häuser ins Meer stürzen. „Also eine Vielzahl von Gefahren, die man bisher nicht beachtet hat“, sagt Hubberten, der seit vielen Jahren die Wechselwirkung zwischen Klimawandel und Permafrost untersucht.

Hinzu kommt, dass im abtauenden Permafrost Mikroorganismen im Boden gespeicherte Kohlenstoffverbindungen in Methan, Wasserdampf und Kohlendioxid umsetzen, die den Treibhauseffekt weiter verstärken. Methan gilt als eins der stärksten Treibhausgase.

Permafrostböden sind ganzjährig gefroren, die Temperatur eines solchen Bodens muss mindestens zwei Jahre unter null Grad liegen. Permafrost-Regionen nehmen 25 Prozent der Erdoberfläche ein - vor allem Gebiete in Sibirien, Kanada und Alaska sind durch sie geprägt. In Zentralsibirien kann der Boden bis in eine Tiefe von über 1500 Meter gefroren sein.

Zur Startseite