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Die große Mehrheit der seit 2015 gekommenen Männer aus Syrien sind heute in Arbeit, rund 150.000 Syrer:innen wurden seit 2020 eingebürgert.

© IMAGO/Shotshop

Für eine Zukunft der Syrer in Deutschland: Was die Wissenschaft zur Debatte um Abschiebungen beitragen kann

Syrer sollten ihr Land wieder aufbauen, also Deutschland verlassen. Das ist zu kurz gedacht! Studien zeigen: mit ihrer Arbeit im Ausland und neuem Wissen helfen die Geflüchteten der Heimat am besten.

Ulrike Freitag
Eine Kolumne von Ulrike Freitag

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Im Rahmen der aktuellen politischen Diskussion um die Abschiebung von Flüchtlingen nach Syrien wurde neulich ein Argument vorgebracht, das auf den ersten Blick bestechend erscheint: Sollten die Syrer nicht zurückkehren, um ihr Land wieder aufzubauen?

Ein Blick in die entwicklungspolitische Literatur zeigt, dass es genau umgekehrt ist. Syrer, die im Ausland leben und arbeiten, leisten den vermutlich wichtigsten Beitrag zum Wiederaufbau ihres geschundenen Landes – unter mehreren Aspekten, allen voran die Unterstützung von Familienangehörigen. Sofern diese überhaupt im Land Arbeit haben, verdienen sie oft nur einen Bruchteil dessen, was sie zum Leben benötigen.

Mittlerweile wurden viele der Sanktionen gegen das Land aufgehoben. Dennoch bleibt die Lage instabil: Zentrale Industrieanlagen und Infrastruktur sind zerstört. Millionen Syrer sind Binnenflüchtlinge ohne ordentliche Unterkünfte, Schulen oder Gesundheitsversorgung. Innenpolitisch haben die Angriffe von der Regierung nahestehenden Truppen auf Alawiten, Drusen und Christen zu tiefer Verunsicherung geführt.

Auch das außenpolitische Umfeld ist volatil, Israel besetzt erhebliche Teile des israelisch-syrischen Grenzgebiets und greift regelmäßig syrische Sicherheitskräfte an. Das beeinflusst auch mögliche Investoren aus dem Ausland. Ein Marshall-Plan, der in Europa nach dem Zweiten Weltkrieg mindestens so zentral für den Wiederaufbau war wie die Trümmerfrauen, ist nicht in Sicht.

Neben Geld bringen Auslandssyrer Aufbauhilfen, etwa im Gesundheitswesen. Sie vermitteln Wissen für den Wiederaufbau von Wirtschaft und Universitäten und bringen ein anderes Weltverständnis in ein lange stark isoliertes und von Kämpfen geprägtes Land. Diese weitestgehend auf Eigeninitiative beruhenden Anstrengungen zu unterstützen, wäre die beste Entwicklungshilfe, die Deutschland leisten kann. Und auch dafür braucht es Syrer hier!

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