
© imago images/Prod.DB/imago images/Prod.DB
Geborene Lügner: Warum Menschen die Unwahrheit sagen
Wer behauptet, noch nie die Unwahrheit gesagt zu haben, lügt. Denn die Wurzeln dieses menschlichen Verhaltens liegen tief.

Stand:
Schätzungsweise 40 Millionen Menschen weltweit haben bereits ihr Erbgut untersuchen lassen, etwa bei 23andme.com, der inzwischen bankrotten US-Firma. Auch das Genom des Erbonkels wurde dort einst getestet. Eines der Ergebnisse: Es enthält Genvarianten, die mit einer Neigung zum Lügen einhergehen.
Zwar ist Lügen elementarer Bestandteil menschlichen Verhaltens. Das heißt, jede und jeder lügt oder täuscht dann und wann. Zumal ein wenig Unehrlichkeit in bestimmten Situationen durchaus überlebenswichtig ist: „Ja, Schatz, das steht dir großartig.“
Doch wie bei den meisten menschlichen Eigenschaften gibt es auch bei der Intensität des Lügenverhaltens individuelle Unterschiede – von gelegentlichen Notlügen sonst grundehrlicher Menschen über die Lüge aus politischem Kalkül bis hin zum krankhaften und selbstschädigenden Täuschen, dem „Pseudologia fantastica“-Syndrom.
Empfohlener redaktioneller Inhalt
An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.
Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.
Um soziale Normen, etwa Höflichkeit, zu erfüllen, müssen schon Kinder das Lügen lernen. Oder vielmehr lernen sie, wann es erwünscht, wann nur toleriert und wann streng verboten ist. Wie bereitwillig sich ein Mensch dieses Werkzeugs aus seinem Verhaltensrepertoire bedient, hat Studien zufolge aber auch eine recht erhebliche erbliche Komponente: schätzungsweise 26 bis 48 Prozent.
Als Forschende beispielsweise hunderte hawaiianische Familien zu 54 verschiedenen Persönlichkeitsmerkmalen befragten, ähnelten sich die Familienmitglieder am stärksten in ihrer Neigung zum Lügen – gemessen anhand der Lügenskala des „Eysenck Personality Questionnaire“ (EPQ).
Bei diesem Test zeigten unter 543 britischen Zwillingspaaren die eineiigen (genetisch praktisch identischen) mehr Übereinstimmung in ihrer Neigung zum Lügen als die zweieiigen – ein Hinweis auf den Einfluss von Genen. Welche DNA-Abschnitte es sind, die Menschen zum Lügen anstiften, ist jedoch kaum untersucht. Zwar steht ein Gen im Verdacht, das den Stoffwechsel des Botenstoffs Serotonin im Gehirn beeinflusst: TPH2. Aber das allein macht noch niemanden zum „Lügner“.
Denn Lügen ist kein Defekt, sondern Teil eines komplexen Verhaltensrepertoires, für das das Gehirn aktuelle Informationen, gelernte Normen, Gefühle und vieles mehr berücksichtigen muss.
Mit anderen Worten: Genmutationen, anhand derer man ablesen könnte, ob ein Mensch häufiger als andere lügt oder täuscht, gibt es nicht. Spätestens jetzt sollte klar geworden sein: Die Behauptung des Erbonkels, 23andme hätte in seinem Erbgut „Lügengene“ entdeckt, war:
Gelogen.
Der „Erbonkel“ – Geschichten rund um Gene, jedes Wochenende.
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: