
© AFP/Wakil Kohsar
Gebrochene Versprechen gegenüber afghanischen Helfern: Und das soll deutsche Außenpolitik sein?
In Afghanistan bleibt von zwei Jahrzehnten deutscher Präsenz nur ein bitteres Erbe. Vier Jahre nach dem Abzug aus Kabul wird klar: Das war der Ausverkauf außenpolitischer Glaubwürdigkeit.

Stand:
Vier Jahre ist es her, dass sich Menschen in Kabul verzweifelt an Tragflächen startender Flugzeuge klammerten, weil sie wussten: Wer bleibt, lebt unter islamistischen Terroristen.
Heute spricht die deutsche Regierung nicht nur mit eben diesen Taliban, sondern lässt auch noch jene im Stich, die für die deutschen Werte gekämpft haben. Funktioniert so deutsche Außenpolitik?
Der „Außenkanzler“ Friedrich Merz (CDU) will, dass Deutschland auf der Weltbühne auftritt. Aktuell präsentiert Merz sich vor dem Putin-Trump-Treffen in Alaska als Moderator der europäischen Außenpolitik. Doch wie viel Bestand haben deutsche Bemühungen in der Welt? Im Ernstfall keinen, wie sich in Afghanistan zeigt.
Das zeigt sich in Afghanistan: Über zwei Jahrzehnte waren 93.000 deutsche Soldatinnen und Soldaten im zentralasiatischen Land, Deutschland gab 17,3 Milliarden Euro für den Aufbau von Polizei, Justiz und Presse aus.
Wer für Deutschland tätig war – wer als Ortskraft, Journalistin, Richterin oder Aktivist „unsere Sicherheit am Hindukusch“ verteidigte –, stand auf der Liste der Taliban als todeswürdig. Vier Jahre danach kehrt Berlin ihnen den Rücken.
Wer für uns kämpft, kämpft am Ende allein
Nach dem Fall Kabuls 2021 legte Deutschland ein Bundesaufnahmeprogramm auf. Bis zu 1000 gefährdete Afghaninnen und Afghanen pro Monat sollten kommen. Allerdings sind in über zwei Jahren weniger als 1600 Menschen darüber angekommen. Dann beschlossen Union und SPD, das Programm, „so weit wie möglich“ zu beenden. Selbst für die, die umfassend überprüft wurden und deren Ausreise kurz bevorstand. Jeder einzelne Fall soll erneut aufgerollt werden.
Vier Jahre nach dem Ende des Afghanistan-Einsatzes sendet Deutschland an die Welt: Unsere Zusagen haben im Ernstfall keinen Bestand.
Farangies Ghafoor
Ist man der Bürokratie treuer als jenen, die, um es deutlich zu sagen, die Drecksarbeit verrichtet haben? Jene, die demokratische und rechtsstaatliche Strukturen verteidigt haben? Denn Waffen allein drängen Islamisten nicht zurück.
Nun hängen 17.000 Bewerberinnen und Bewerber in den ersten Prüfphasen des Programms fest. Und etwa 2400 Menschen, unter ihnen auch frühere Ortskräfte, warten in Pakistan darauf, wie zugesagt, aufgenommen zu werden. Ja, über 20.600 Ortskräfte samt Familien haben inzwischen Zuflucht in Deutschland gefunden. Doch Tausende andere sitzen dort fest, wo sie unerwünscht sind.
Im Iran wurden allein in diesem Jahr mehr als 1,4 Millionen Afghaninnen und Afghanen abgeschoben oder zur Flucht gezwungen, oft nach rassistischen Angriffen. Dazu kommt offene Gewalt: Afghanen werden auf der Straße geschlagen oder mit Messern attackiert. In Pakistan sind die Zustände kaum besser. Behörden durchsuchen Unterkünfte, nehmen Menschen mit deutscher Aufnahmezusage fest und bringen sie in Abschiebezentren. Mindestens 20 dieser Afghaninnen und Afghanen sitzen derzeit in Haft.
Deutschlands gebrochenes Versprechen ist eingebettet in eine entbrannte Migrationsdebatte, vorangetrieben von der AfD, aufgegriffen von fast allen anderen Parteien. Kanzleramtschef Thorsten Frei (CDU) erklärte, die humanitäre Migration habe „ein Niveau erreicht, das die Integrationsfähigkeit der Gesellschaft übersteigt“, und freiwillige Aufnahmeprogramme könnten nicht umgesetzt werden, solange es „irreguläre und illegale Migration nach Deutschland“ gebe.
In Sachen verantwortungsvolle Außenpolitik nicht nach Deutschland schauen! Hier werden Flüchtlinge und Migranten gegeneinander ausgespielt.
Mit den Taliban verhandeln, Helfer vergessen
Die außenpolitische Glaubwürdigkeit erodiert schon wieder in Afghanistan, in den Gesichtern derer, die auf ein Ausreiseticket warten, das vielleicht nie kommt. Heute werden ihre Namen von Ausreiselisten gestrichen, während dieselbe Bundesregierung „technische Kontakte“ über Vermittler Katar mit den Taliban pflegt, um Abschiebeflüge vorzubereiten.
Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) strebt an, direkt mit den Taliban zu verhandeln. Man öffnet damit jenen Terroristen die Tür, gegen deren Führung der Internationale Strafgerichtshof Haftbefehle erlassen hat.
Stützt man sich auf „technische Kontakte“ mit Terrorregimen, während man auf seine eigenen Helferinnen und Helfer gegen die Terroristen verzichtet, dann zerbröselt erst das eigene Wort und dann die Macht.
Vier Jahre nach dem Ende des Afghanistan-Einsatzes sendet Deutschland an die Welt: Unsere Zusagen haben im Ernstfall keinen Bestand. Und an künftige Partner: Die Zusammenarbeit kann im Zweifel lebensgefährlich werden. Wer kann dann noch auf die Deutschen zählen?
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