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Joseph Goebbels am 27. Februar 1938 beim Besuch der Ausstellung „Entartete Kunst“ im Berliner Haus der Kunst.

© Bilderdienst Süddeutscher Verlag

Provenienzforschung: Gemeinsam auf Spurensuche

Exponate aus Afrika in europäischen Sammlungen oder Kunsthandel im Nationalsozialismus – Berlin ist ein guter Standort für Provenienzforschung. Nun gibt es Pläne für ein universitätsübergreifendes Lehrangebot.

Es ist eine Art Spezialführer. In dem Flyer, den Kunsthistorikerin Meike Hoffmann von der Freien Universität und Historikerin Christine Howald von der Technischen Universität zusammengestellt haben, finden sich alle Seminare und Vortragsreihen zum Thema Provenienzforschung, die an den drei großen Berliner Universitäten angeboten werden: der Freien Universität Berlin, der Technischen Universität Berlin sowie der Humboldt-Universität zu Berlin – allesamt Partnerinnen in der Berlin University Alliance. Ebenfalls aufgenommen wurde das Angebot der Hochschule für Wirtschaft und Technik.

Die Lehrveranstaltungen wie „Aufgaben und Methoden der Provenienzforschung“, „Kunst und Recht“ und „Das Naturkundemuseum, seine Geister und Monster“ bilden für die beiden Wissenschaftlerinnen ein ideales Studienprogramm. Es könnte die Grundlage sein für eine verstärkte Zusammenarbeit der Universitäten in der Zukunft: „Wir wollen ein Programm entwickeln, das die Expertise der verschiedenen Einrichtungen bündelt und international ausgerichtet ist“, sagt Christine Howald, die zu chinesischer, japanischer und koreanischer Kunst auf dem westlichen Kunstmarkt im 19. und 20. Jahrhundert arbeitet und den Forschungsschwerpunkt TEAA – Tracing East Asian Art aufgebaut hat und leitet. „Es ist ideal, wenn ein solches Studienprogramm von unterschiedlichen Einrichtungen sowie Expertinnen und Experten aus verschiedenen Disziplinen abgedeckt werden kann“, eklärt Meike Hoffmann, Wissenschaftliche Mitarbeiterin der Forschungsstelle „Entartete Kunst“ der Freien Universität. Derzeit leitet die promovierte Kunsthistorikerin die institutionenübergreifende Mosse Art Research Initiative (MARI), ein Forschungsprojekt, dessen Ziel es ist, den Verbleib der einst etwa 4000 Stücke umfassenden Sammlung des jüdischen Berliner Verlegers und Mäzens Rudolf Mosse zu rekonstruieren.

Viele Fragen lassen sich nur durch Austausch lösen

Während an der Freien Universität in den vergangenen Jahren ein Schwerpunkt zur Kunst im Nationalsozialismus sowie zur Sammlungsgeschichte allgemein entstanden ist, stehen an der Technischen Universität die Kunstmarktforschung und die außereuropäische Kunst im Mittelpunkt, an der Humboldt-Universität sind es die Geschichte und Herkunft von Objekten in ethnographischen und naturkundlichen Sammlungen. Mit einbezogen in das Netzwerk ist die Hochschule für Technik und Wirtschaft mit ihrem Bachelorstudiengang Museumskunde.

In dieser Vielfalt sehen die beiden Wissenschaftlerinnen eine große Stärke. Denn das neue Arbeitsgebiet Provenienzforschung, dessen Methodologie sich noch herausbilde, lebe von der Vernetzung, sagt Meike Hoffmann. Nur durch Austausch ließen sich die verschlungenen Pfade verfolgen, die Kunstwerke und andere Objekte oftmals zurückgelegt hätten. Wenn es etwa um die Einordnung von Händler- oder Sammlermarken auf Objekten geht, um Restitutionsfragen oder die Umrechnung alter Währungen – viele Fragen lassen sich nur durch die Expertise von Kolleginnen und Kollegen lösen und dank des Instrumentariums anderer Fächer. Davon profitiert auch die Lehre. Kunstgeschichtsstudierende lernten auf diese Weise Experten aus anderen Disziplinen kennen, und sie könnten selbst einen Beitrag zur Forschung leisten, sagt Hoffmann. So seien Studierende etwa im Mosse-Projekt dabei behilflich, Aktenbestände aufzuarbeiten.

Dass die Provenienzforschung weltweit eine Herausforderung für die Museen ist, sehen die Wissenschaftlerinnen als Chance, die Ausbildungsmöglichkeiten in Berlin mit seinen vielen Museen, Archiven und Universitäten auszubauen. „Wir decken hier das breiteste Feld ab – das ist in anderen Städten so nicht möglich“, sagt Meike Hoffmann. Doch auch wenn sich Studierende den Besuch von Veranstaltungen an anderen Universitäten bereits heute anrechnen lassen können – die Studienordnungen und Anforderungen unterscheiden sich voneinander. Das könnte in der Berlin University Alliance einfacher werden. Und vielleicht können dann auch Interessierte aus aller Welt auf Englisch systematisch an mehreren Berliner Universitäten Provenienzforschung studieren. Denn das große Ziel von Meike Hoffmann und Christine Howald lautet: „Ein gemeinsames Studienprogramm für Berlin.“

Nina Diezemann

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