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Entscheider wider Unwissen.

© dpa

Herdenimmunschwäche?: Was man nicht weiß ...

Macht Corona Immunschwäche? Nichts Genaues weiß man nicht – aber entscheiden muss die Politik in einer solchen Situation trotzdem. Dafür ist sie da.

Ein Kommentar von Sascha Karberg

Verursacht Sars-CoV-2 nun eine Immunschwäche oder nicht? Verhält sich das Coronavirus diesbezüglich anders als etwa Grippeviren? Machen mehrere Covid-19-Erkrankungen Menschen anfälliger für andere Infektionen, weil sich das Reservoir an Immunzellen leert oder nicht rechtzeitig wieder aufgefüllt wird? Oder sind das alles nur vorübergehende Phänomene, vorschnelle Panikmache?

So gern man eine abschließende, definitive Antwort auf diese Fragen hätte, zurzeit kann sie niemand geben. Und zwar nicht nur, weil die Studien und Experimente, die dafür nötig sind, noch laufen. Sondern auch, weil „die Wissenschaft“ noch gar nicht die technischen Möglichkeiten hat, die Auswirkungen des Coronavirus auf den menschlichen Körper voll zu erfassen. Unser Bild vom Immunsystem ist daher etwa so eingeschränkt wie die Sicht eines Kurzsichtigen ohne Brille.

Undurchsichtiges Zellwirrwarr

Zwar ist über die vielen unterschiedlichen Typen von Immunzellen inzwischen viel mehr bekannt als noch vor der Jahrtausendwende. Aber wohl kein Immunologe und keine Virologin würde behaupten, man hätte bereits den totalen Durchblick, wie Blut- und Immunzellen, von denen täglich Milliarden neu gebildet werden, auf Sars-CoV-2 oder andere Viren reagieren.

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„Streit“ und „steile Thesen“ sind In dieser frühen Phase des Erkenntnisprozesses unter Forschenden durchaus ein wichtiges, probates Mittel – allerdings im Sinne von fachlicher Auseinandersetzung. Auch wenn erste Daten, erste Erkenntnisse noch nicht ausreichen, werden auf diesen neue Arbeitshypothesen erstellt und neue Studien aufgesetzt, mit denen sie bestätigt oder verworfen werden können – um der Wahrheit einen kleinen Schritt näher zu kommen.

Für die Politik ist das eine denkbar schlechte Situation. Muss sie, dem Vorsorgeprinzip folgend, eher mit dem Schlimmsten rechnen, die noch widersprüchlichen Daten pessimistisch interpretieren und besonders vorsichtig, also (Mehrfach-)Infektionen bestmöglich vermeidend handeln? Oder wäre das überzogen, weil aufgrund fehlender eindeutiger Belege unnötig einschränkend und reglementierend? Dass sich ein twitternder Gesundheitsminister in einer solchen Lage von jeder neuen Studie den Erkenntnisdurchbruch erhofft, ist nachvollziehbar.

Andererseits ist ebendas der Job: Entscheidungen in Situationen zu fällen, in denen die Entscheidungsgrundlage eben nicht eindeutig ist. Sonst bräuchte es Politik nicht.

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