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Orcas sind Raubtiere, aber mit ausgeprägtem Spieltrieb.

© mauritius images/Minden Pictures/Hiroya Minakuchi

Heute vor 203 Jahren: Mal ist es nur Spiel, mal Walkampf

Auch wenn der Hinweis der Forschung „Die wollen nur spielen!“ wohl korrekt ist, sind Walattacken auf Segelboote nicht ungefährlich. Und mitunter dann doch kein Spiel.

Eine Kolumne von Sascha Karberg

Es passiert seit Mai 2020 immer wieder: Eine kleine Gruppe Orcas verfolgt in der Straße von Gibraltar Segelboote, knabbert an ihrem Ruder und versenkt sie mitunter sogar. Zuletzt sank eine beschädigte Schaluppe im Mai 2023, bevor sie zur spanischen Küste geschleppt werden konnte. Warum die Schwertwale das tun, können Walforscherinnen und -forscher bislang nicht eindeutig beantworten. Die meisten vermuten eine Art Spielverhalten.

Tatsächlich spielen Orcas mitunter mit Meeresschildkröten, Quallen oder Algen. Bei den Zusammenstößen vor der spanischen Küste handelt es sich jedenfalls nicht um klassisches Jagdverhalten. Die Tiere griffen die betroffenen Segler nie an, obwohl sie in dieser Region normalerweise vergleichbar dimensionierte Beute machen, zumeist Thunfische oder auch kleinere Delfine.

Der Biologe Dan Olsen von der North Gulf Oceanic Society (Alaska) meint jedoch, dass das Verhalten einen Auslöser gehabt haben könnte. Womöglich sei ein Weibchen oder ihr Nachwuchs durch das Ruder eines Segelbootes verletzt worden. Die Abwehrattacke sei dann von Jungtieren spielerisch kopiert worden. Offenbar sind zwei Orcagruppen aus drei und sechs Tieren an den Segelbootattacken beteiligt, die zweite angeführt vom Weibchen „White Gladis“.

Zwar sind Zusammenstöße von Schiffen und (ob nun Grau-, Buckel-, Pott- oder Schwert-)Walen sehr selten, kommen aber wohl seit jeher vor. Eine seit 2007 geführte Datenbank verzeichnet rund 1200 Ereignisse, zumeist Unfälle beim Auftauchen der Säugetiere. Aber dass sich die Tiere auch zu wehren wissen, wenn sie attackiert werden, ist spätestens seit dem Untergang der US-amerikanischen „Essex“ am 20. November 1820, heute vor 203 Jahren, weithin bekannt.

Auf dem Weg von den Galápagos-Inseln nach Westen wurde das Walfangschiff von einem besonders großen Exemplar einer gejagten Pottwal-Schule gerammt. „Vergeltung, Rache, ewige Arglist standen ihm an der Stirn geschrieben, und allem Menschenwerk zum Trotz rammte der weiße Kloben dieser Stirn den Steuerbordbug des Schiffs, dass Masten und Mannschaft taumelten“, so beschrieb rund 30 Jahre später der Schriftsteller Herman Melville den Moment der Kollision von Wal und Schiff in seinem Roman „Moby Dick“.

Lesen Sie alle bisher erschienenen Folgen der Tagesrückspiegel-Kolumne hier.

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