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Tagesrückspiegel – Heute vor 207 Jahren: Die Ironie der Sicherheits-Grubenlampe
Unter Tage etwas sehen zu können war lange Zeit weit mehr als ein rein optisches Problem. Als es endlich eine Lösung gab, wurde alles erst einmal noch viel schlimmer.

Stand:
Sie sind ein ganzes soziologisches Forschungsgebiet, die „unbeabsichtigsten Konsequenzen“. Dazu gehört auch das hübsche Konzept der „Serendipität“, des gleichsam glücklichen Stolperns über die Lösung eines Problems, nach der man gar nicht gesucht hatte. Leider ist es aber meistens andersherum, oft im Sinne von „gut gemeint und schlecht umgesetzt“.
Das Preisgeld, dass die britische Kolonialmacht einst im indischen Delhi für jede abgelieferte tote Kobra ausrief, weil zunehmend Menschen gebissen wurden, ist ein Beispiel. Es soll letztlich dazu geführt haben, dass die Zahl der Kobras in der Stadt massiv zunahm – weil Leute begonnen hatten, die Tiere zu züchten.
Zwielichtige Leuchtmittel
In der Gegenwart muss man wohl die massenhafte und gesetzlich so gewollte Verbreitung von Energiesparlampen nennen. Weil diese, etwa mit LED-Technik, weniger Strom verbrauchen, kommen auch viel mehr zum Einsatz, und aufs Ausschalten wird auch nicht mehr so geachtet. Von den für den Biorhythmus teils recht ungünstigen Spektren und bei manchen Lampentypen giftigen Inhaltsstoffen, die in Wohnungen und die Umwelt gelangen können, ganz zu schweigen.

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Beleuchtung scheint ohnehin prädestiniert für das Auftreten unbeabsichtigter Folgen zu sein. Wer würde etwa bezweifeln, dass die Absichten des Erfinders Humphry Davy die allerbesten waren? Er hatte eine Grubenlampe entwickelt, die durch ein enges Drahtnetz zwar Luft hereinließ, damit der Docht brennen konnte, Flammenschlag nach außen aber verhinderte. So sollten Grubengasexplosionen vermieden werden. Davy testete sein Design heute vor 207 Jahren, am 9. Januar 1816, erstmals unter Realbedingungen in einer Kohlemine im englischen Hepburn.
Dass man einen Ort mit „-burn“ im Namen wählte, war sicher auch unbeabsichtigt. Es hatte auch keine Konsequenzen. Der Versuch war ein voller Erfolg. Die Lampe ging in Produktion. Dass sie durch ein charakteristisches blaues „Hütchen“ auf der Flamme auch das Vorhandensein brennbaren Gases in der Umgebung anzeigte, war ein unbeabsichtigter, willkommener Nebeneffekt.
Davy stand mit seiner Lampe etwa zeitgleich mit einem anderen Erfinder namens George Stephenson, der unabhängig mit einem ähnlichen Design aufwartete, in einer Reihe etwa mit Alexander von Humboldt. Dieser hatte in seiner Zeit als Bergbaumanager und -forscher ebenfalls Lampen entwickelt.
Die unbeabsichtigte Konsequenz von Davys an sich sehr gut funktionierender Erfindung hätte ironischer nicht ausfallen können: Die Zahl von Grubenunglücken im Zusammenhang mit entzündlichen und giftigen Gasen stieg. Denn andere Sicherheitsmaßnahmen wurden vernachlässigt, zuvor gefahrbedingt gemiedene Bereiche wurden nun benutzt. Darauf, dass das Geflecht dünnster Drähte extrem anfällig war und oft Löcher bekam, wurde nicht genug geachtet. Und weil dieses Geflecht eben auch nicht alles Licht nach draußen ließ, nahm man oft zusätzlich eine Kerze oder eine ungeschützte alte Grubenlampe mit. Eine königliche Kommission attestierte den Grubenbetreibern „Absurdität“, „Dummheit“ und „Gedankenlosigkeit“.
Moderne Grubenlampen, vor allem die am Kopf getragenen, nutzen heute meist auch LEDs. Und für die Nachfolger der alten Grubenlampen hat sich längst ein attraktiver Markt aufgetan. Sie heißen heute „Campinglampe“. Das hatten Humboldt, Davy und Co. sicher auch nicht beabsichtigt.
In England gibt es nach wie vor zahlreiche untertägige Bergwerke. In Deutschland ebenfalls. Vor ein paar Jahren hieß es aber zumindest in den letzten Kohlezechen „Schicht im Schacht“. Die Förderung war in Deutschland schon seit langer Zeit unwirtschaftlich gewesen und nur mit Subventionen aufrechterhalten worden. Aber auch der bekanntesten unbeabsichtigten Folge des Abbaus fossiler Brennstoffe soll so entgegenwirkt werden: der Klimaerwärmung durch Kohlendioxid in der Atmosphäre.
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