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Mittlerer Westen, großes Unglück. Am geborstenen Reaktor SL-1 in Idaho sind im Januar 1961 die Geigerzähler im Dauereinsatz

© imago images/Everett Collection / imago stock

Tagesrückspiegel – Heute vor 62 Jahren: Der tödliche Atomunfall von Idaho

In einer Routineprozedur sollte Anfang 1961 ein Reaktor wieder hochgefahren werden. Vom Fehler bis zur Katastrophe dauerte es nur Millisekunden.

Eine Kolumne von Richard Friebe

Die zerstörerische Kraft der Kernspaltung hatten die USA mit den Atombombenabwürfen über Hiroshima und Nagasaki der Welt schon 1945 vor Augen geführt. Doch auch die Idee, Kernenergie auch kontrolliert zu nutzen, wurde schon sehr früh von Militärs vieler Länder verfolgt. Atomkraftgetriebene Kriegsschiffe und U-Boote sind heute die bekanntesten Beispiele.

Kontrollstab außer Kontrolle

Im militärischen Versuchsreaktor SL-1 im US Bundessaat Idaho wurden ab 1958 vor allem die Möglichkeiten, abgelegene Militärstützpunkte mit Strom und Wärme zu versorgen, erprobt. Doch auch hier würde es die Zerstörungskraft von Kernspaltungs-Kettenreaktionen sein, durch die die Anlage in die Geschichte eingehen würde.

Am 3. Januar 1961, heute vor 62 Jahren, sollte der Reaktor nach einer Pause über die Feiertage wieder hochgefahren werden. Hochfahren im ganz herkömmlichen Sinn musste die Mannschaft dafür zunächst den zentralen Kontrollstab, um ihn wieder an seinem Steuerelement zu befestigen. Woran es letztlich lag, dass dieser Anhebe-Vorgang viel weiter ging als er hätte gehen dürfen, ist bis heute ungeklärt.

Ungebremste Neutronen

Selbst eine gemischt mörderisch-suizidale Absicht im Zusammenhang mit einer Affäre der Ehefrau eines der Bediensteten dort gilt als einer der möglichen Gründe. Was die Konsequenzen sein würden, wenn der Kontrollstab zu hoch angehoben werden würde, wussten die drei Techniker, die bei der Prozedur dabei waren, sehr genau: Zu viele freie Neutronen würden sehr schnell eine Katastrophe auslösen.

Ziviler Unglücksreaktor, 18 Jahre nach SL-1: Nach dem Atomunfall am 28. März 1979 betreten Techniker das Kraftwerk Three Mile Island.
Ziviler Unglücksreaktor, 18 Jahre nach SL-1: Nach dem Atomunfall am 28. März 1979 betreten Techniker das Kraftwerk Three Mile Island.

© dpa

Es war 21.01 Uhr Ortszeit, als innerhalb von Sekundenbruchteilen eine Kettenreaktion mit massiver Energiefreisetzung erfolgte. Material verdampfte, ein Riesendruck entstand. Zwei der Mitarbeiter starben sofort, einen der beiden fand man durch ein im Zuge der Explosion zum Geschoss gewordenes Bauteil an die Decke des Reaktorraumes genagelt.

Belastete Helfer

Der dritte Mann überlebte zunächst, starb aber im Rettungswagen. Dieser wiederum wurde wegen der massiven Strahlung, die von dem Leichnam ausging, in die Wüste gefahren und dort über Stunden belassen.

SL-1 ist bis heute der einzige Reaktorunfall in den USA, bei dem unmittelbar Menschen ums Leben kamen.

Mehrere Retter und eine Krankenschwester wurden kontaminiert. Letztlich, Aufräum- und Säuberungsarbeiten über Jahre einbezogen, lag die offizielle Zahl der Personen, die als gesundheitsschädlich eingestufte Mengen Radioaktivität abbekamen, bei 790.

Baukrane stehen am Atomkraftwerk Fukushima Daiichi.
Baukrane stehen am Atomkraftwerk Fukushima Daiichi.

© kyodo/dpa

Strahlendes Jod gelangte auch in die Umwelt. In dem Korridor, in dem der Wind wehte, wurde teilweise das 50-fache der natürlichen Menge an Jod-131 gemessen. Die Konsequenzen für Menschen blieben aber begrenzt, weil die Umgegend unbesiedelt war.

In der Folge wurde das Design von Atomreaktoren so verändert, dass zumindest diese Art von Unfall nicht mehr möglich ist. Andere, mit anderen Ursachen, hat es jedoch seither bekanntermaßen mehrfach gegeben.

Französisches Atom-U-Boot.
Französisches Atom-U-Boot.

© picture-alliance/ dpa

Gegenwärtig sind etwa 440 Atomreaktoren allein zur zivilen Stromerzeugung weltweit in Betrieb. Dazu kommen zahlreiche zivile und militärische Forschungsreaktoren sowie etwa 200 Reaktoren, die U-Boote, Kriegsschiffe und Eisbrecher antreiben.

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