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20 Milligramm Wasser enthält ein durchschnittliches Maiskorn, das bei 180 Grad Celsius schlagartig verdampft.

© AdobeStock/Pixel-Shot/Leonid Yastremskiy

Tagesrückspiegel – Heute vor 76 Jahren: Die erste Mikrowelle, ein Megamodell

Eigentlich ging es darum, im Krieg mittels Radiowellen feindliche Schiffe und Flugzeuge aufzuspüren. Doch dann begann der Schokoriegel eines Ingenieurs zu schmelzen.

Eine Kolumne von Birgit Herden

Seit Jahrzehnten stehen die Geräte in den Küchen und ob sie zu mehr als zum Aufwärmen taugen, darüber darf weitern gestritten werden. Immerhin, die Sorgen, Mikrowellen könnten Nährstoffe zerstören oder Krebs auslösen, sind weitgehend zerstreut. (Nein und nein, tun sie nicht).

Die Geschichte der Haushaltshelfer beginnt bereits im Zweiten Weltkrieg. Von kriegsentscheidender Bedeutung ist es damals, feindliche Flugzeuge und Schiffe aufzuspüren, und das gelingt mittels Radar – also mit Radiowellen, die von großen Objekten zurückgeworfen werden. Um Radiowellen zu erzeugen, braucht man ein Gerät namens Magnetron. Zu Kriegszeiten in großer Stückzahl.

In den USA gelingt Percy Spencer der Durchbruch in der Massenproduktion. Der früh verwaiste, geniale Autodidakt hat sich durch nächtliche Lektüre von Fachbüchern vom ungelernten Hilfsarbeiter zum Ingenieur hochgearbeitet. Als Angestellter der Firma Raytheon schafft er es, die Produktion von 17 auf 2600 Stück pro Tag zu steigern.

Schließlich ist der Krieg gewonnen. Im Oktober 1945 entdeckt Spencer aber etwas Überraschendes. Als er neben einem laufenden Magnetron steht, beginnt ein Schokoladenriegel in seiner Tasche zu schmelzen. Wo andere vielleicht die klebrige Masse nur entsorgt hätte, experimentiert der Ingenieur weiter, lässt Eier zerbersten, platziert Maiskörner in die Nähe des Magnetrons – und es macht „Plopp“.

Dass man mit elektromagnetischen Strahlen Dinge erwärmen könnte, diese Idee war schon in den 1930er-Jahren aufgekommen. Spencer konstruiert nun die passende Maschine. Er verwendet dafür energiereiche Radiowellen mit einer Wellenlänge im Zentimeterbereich. Sie regen die Schwingungen von Wassermolekülen an. Alles, was Wasser enthält, wird durch diese Schwingungen erwärmt. Ein Glas- oder Keramikteller dagegen bleibt kühl.

Am 29. März, heute vor 76 Jahren, reicht Raytheon schließlich das Patent für den „Radarange“ ein, das erste kommerzielle Mikrowellengerät, und zugleich für eine Methode, damit Popcorn herzustellen. Der Radarange ist zwei Meter hoch und viel zu teuer für den Heimbedarf. Das ändert sich erst in den 1950er-Jahren, als kleinere Geräte in die amerikanischen Haushalte einziehen.

Percy Spencer stirbt 1970, vielfach geehrt, nach Hunderten eingereichten Patenten. Für die Erfindung der Mikrowelle hat er allerdings nie mehr als die zwei Dollar erhalten, mit denen Raytheon Angestellte für patentierte Erfindungen belohnte.

Lesen Sie alle bisher erschienenen Folgen der Kolumne auf der Kolumnenseite des Tagesspiegel.

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