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Die Atombombe, die am 9. August von der US-amerikanischen Luftwaffe auf die japanische Stadt Nagasaki abgeworfen wurde, enthielt Plutonium als Brennstoff.

© dpa/Nagasaki Atomic Bomb Museum

Heute vor 82 Jahren: Die Entdeckung von Element 94

„Anwendung“ ist ein Buzzword der Forschungsförderung. Nach der Entdeckung eines chemischen Elements war seine mögliche Anwendung Grund, die Veröffentlichung zurückzuhalten.

Eine Kolumne von Patrick Eickemeier

Am 14. Dezember 1940 unternahm ein Forschungsteam um Glenn Seaborg an der University of California in Berkeley einen Versuch, mit dem sie den Weg für die friedliche Nutzung der Kernspaltung zur Energiegewinnung mitbereiteten – und den für die militärische Nutzung als Massenvernichtungswaffe.

Zwei Jahre zuvor hatte der deutsche Chemiker Otto Hahn entdeckt, dass sich die Atomkerne der radioaktiven Metalle Uran und Thorium spalten lassen. Er gilt daher als Begründer des Atomzeitalters, auch wenn es die von ihm geschätzte und konsultierte Kernphysikerin Lise Meitner war, die den Vorgang physikalisch erklärte.

Das Team um Seaborg versuchte sich nicht an der Kernspaltung. Es beschoss Uran in einem Teilchenbeschleuniger mit schweren Wasserstoffkernen, die nicht nur aus einem Proton, sondern einem Proton und einem Neutron bestanden. Bei der Kernreaktion wurde aus Uran dadurch Neptunium, das schnell zu Plutonium zerfällt.

Pluto in seinen echten Farben, aufgenommen von der NASA-Raumsonde New Horizons im Jahr 2015.
Pluto in seinen echten Farben, aufgenommen von der NASA-Raumsonde New Horizons im Jahr 2015.

© NASA/Johns Hopkins University Applied Physics Laboratory/Southwest Research Institute/Alex Parker

Planetenkennende erkennen, dass bei der Benennung der schweren Metalle die äußeren Planeten des Sonnensystems herangezogen wurden: Uranus, Neptun und der mittlerweile zum Zwergplaneten degradierte Pluto für das neue Element mit der Ordnungszahl 94 im Periodensystem.

Seaborg und seine Kollegen schrieben einen Artikel für die Fachzeitschrift „Physical Review“, der im März 1941 veröffentlicht werden sollte. Dazu sollte es jedoch nicht kommen, denn es waren Kriegszeiten und die Veröffentlichung hatte erhebliche Sprengkraft. Ein Isotop des neuen Elements, Plutonium-239, konnte gespalten und zum Bau von Atombomben verwendet werden. Die USA wollten die erste und die einzige Partei im Zweiten Weltkrieg sein, die über die neuartige Massenvernichtungswaffe verfügte.

Plutonium herstellen zu können, war ein wichtiger Bestandteil des Manhattan-Projekts, das die Entwicklung von Atombomben zum Ziel hatte. Seaborg war sich der Tragweite seiner Entdeckung bewusst und sprach sich gegen die Anwendung der Atombombe im Krieg gegen Japan aus. Die neue Waffe sollte Repräsentanten aller Länder auf unbewohntem Gebiet vorgeführt werden.

Der von ihm mitunterzeichnete Franck-Report wurde im Juni 1945 dem US-Verteidigungsminister übergeben, doch knapp zwei Monate später wurden Atombomben auf die japanischen Städte Hiroshima und Nagasaki geworfen. Die so genannten Fat-Man-Bomben, die bei einem Atomtest im Juli 1945 und bei der Bombardierung von Nagasaki eingesetzt wurden, hatten Plutoniumkerne.

Bis heute ist die Herstellung von waffenfähigem Plutonium die Kehrseite der zivilen Nutzung zur Energiegewinnung. Auch die Entsorgung von Plutoniumabfällen aus Kernkraftwerken und demontierten Kernwaffen ist ein ungelöstes Problem.

Seaborg und seine Kollegen durften ihr Paper nach Ende des Zweiten Weltkriegs veröffentlichen. Er erhielt 1951 den Chemie-Nobelpreis und später sollte ihm eine weitere besondere Ehre zuteilwerden: das Element mit der Ordnungszahl 106 wurde in den 1970er Jahren – mittlerweile im Kalten Krieg – künstlich hergestellt. US-amerikanische und sowjetische Forscher beanspruchten die Entdeckung für sich. Erst 1997 wurde der Streit beigelegt und das Element wurde nach dem Vorschlag des Teams an der Universität in Berkeley zu seinen Ehren Seaborgium genannt.

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