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Medikamente können die Herzschwäche bekämpfen und das Leiden verlangsamen.

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Medizin: Hilfe bei Herzschwäche

Ein neuartiger Wirkstoff verbessert die Überlebenschancen bei dem häufigen Leiden um 20 Prozent. Allerdings dürften auch die Behandlungskosten deutlich steigen.

Luftnot beim Bewegen und im Liegen, geschwollene Beine und Erschöpfung sind Anzeichen für eine Herzschwäche. Die Störung mit dem eher harmlos klingenden Namen ist weder selten noch ungefährlich. In Deutschland wird die Zahl der Kranken mit Herzschwäche auf zwei bis drei Millionen geschätzt. Jeder zweite Patient stirbt innerhalb von fünf Jahren nach der Diagnose. Mit einem neuartigen Wirkstoff ist es nun gelungen, die Überlebenschancen von Herzschwäche-Patienten zu verbessern. Das Risiko, an einem Herz- oder Gefäßleiden zu sterben, wurde um 20 Prozent gesenkt, verglichen mit herkömmlicher Behandlung.

Herzinfarkt und Bluthochdruck sind die häufigsten Ursachen einer Herzschwäche, medizinisch Herzinsuffizienz genannt. Sie können die Muskelpumpe so schädigen, dass nicht mehr genügend Blut und damit Sauerstoff und Nährstoffe zu den Organen gepumpt werden. Unter der Herzschwäche leidet der ganze Organismus. Mit Medikamenten gelingt es in der Regel, die Krankheit zu bessern und das Fortschreiten zu verlangsamen. Die dabei meist eingesetzten Arzneimittel haben sich seit Jahrzehnten bewährt. Zu ihnen zählen vor allem Betablocker (schirmen das Herz gegen Stresshormone ab), ACE-Hemmer (stärken das Pumpvermögen) und Diuretika (entlasten das Herz).

Umso überraschter waren viele Experten, dass es nun offenbar ein neues Medikament mit dem Kürzel LCZ696 geschafft hat, in diese Phalanx der altbekannten Wirkstoffe einzubrechen. Vorgestellt wurden die Ergebnisse der „Paradigm-HF“-Studie zu LCZ696 beim Treffen der europäischen Herzspezialisten in Barcelona, zeitgleich veröffentlicht im Fachblatt „New England Journal of Medicine“.

Herzmedikament von Experten als Sensation gefeiert

„Viele Fachleute hatten das Gefühl, das bei der Behandlung der Herzinsuffizienz mit Medikamenten das Ende der Fahnenstange erreicht ist“, sagt der Arzneimittelexperte Thomas Eschenhagen von der Hamburger Uniklinik. „Deshalb wurden die Ergebnisse auf dem Kongress in Barcelona als Sensation gefeiert.“

LCZ696, entwickelt von der Schweizer Pharmafirma Novartis, kombiniert zwei Substanzen. Der eine ist Valsartan, ein Wirkstoff aus der Gruppe der Sartane oder AT1-Hemmer. Sie wirken ähnlich wie herzstärkende ACE-Hemmer. Neu hingegen ist der zweite Arzneistoff Sacubitril. Er blockiert das Enzym Neprilysin, das seinerseits für den Kreislauf nützliche Hormonstoffe abbaut. Wird Neprilysin ausgeschaltet, wird das Herz entlastet. Beide Arzneimittel in LCZ696 ergänzen sich also.

An der Studie unter Leitung von Johan McMurray (Universität Glasgow) und Milton Packer (Universität Texas) nahmen rund 8400 Patienten mit einer leichten bis mittleren Herzschwäche teil. Sie bekamen die übliche Behandlung, mit einem Unterschied: die eine Hälfte der Teilnehmer erhielt Enalapril, einen für die Therapie empfohlenen ACE-Hemmer. Die andere Hälfte bekam LCZ696.

Nach im Mittel 27 Monaten wurde die Studie gestoppt, weil sich LCZ696 als klar überlegen erwies. In der LCZ696-Gruppe waren zu diesem Zeitpunkt 711 Patienten gestorben (von 4186 Patienten, entspricht 17 Prozent), in der Enalapril-Gruppe dagegen 835 (von 4212, entspricht 19,8 Prozent). Das Risiko zu sterben wurde also durch die neue Pille um knapp drei Prozentpunkte verringert. Das entspricht einer Senkung des relativen Risikos um 16 Prozent. Wer das neue Mittel bekam, hatte ein im Vergleich mit der anderen Gruppe um 16 Prozent geringeres Sterberisiko. Die Gefahr, an einem Herz-Kreislauf-Leiden zu erliegen, sank sogar um 20 Prozent.

Das neue Medikament wurde nicht schlechter als der herkömmliche Wirkstoff vertragen. Dagegen war der erste Versuch, eine Substanz mit ähnlichem Wirkprinzip zu erproben, vor gut zehn Jahren gescheitert. Das Mittel mit Namen Omapatrialat rief vor allem bei Afroamerikanern lebensbedrohliche Angioödeme, Gewebeschwellungen, hervor. Die unter LCZ696 bemerkten Angioödeme waren nicht schwerwiegend, als weitere Nebenwirkung trat zudem niedriger Blutdruck auf.

Dem Hersteller Novartis winken Milliardengewinne

Nach Informationen der „New York Times“ will Novartis die Zulassung des Medikaments in den USA bis Ende 2014 und in Europa zu Beginn 2015 beantragen. Das Präparat kann damit bereits nächstes Jahr auf den Markt kommen. Auch über den Preis wird spekuliert. Die „Times“ zitiert einen Marktbeobachter, der die jährlichen Therapiekosten auf 2500 Dollar schätzt. Damit würde das 50- bis 100-Fache einer herkömmlichen Behandlung mit den mittlerweile billigen ACE-Hemmern fällig werden. Kein Wunder, dass die Novartis-Aktie nach Bekanntgabe der Ergebnisse einen Sprung nach oben machte. Angesichts des großen Marktes winken Milliardengewinne.

Der Herzspezialist Wilhelm Haverkamp von der Berliner Charité ist dagegen skeptisch. Das Medikament sei „ein Schritt nach vorn, aber keine Revolution“. Er sieht in dem hohen Preis ein erhebliches Problem, zumal bereits neue gerinnungshemmende Wirkstoffe für Herzpatienten einen Kostenschub brachten. Um ein Menschenleben zu retten, müssen etwa 100 Patienten ein Jahr lang mit LCZ696 behandelt werden. Legt man Kosten pro Kranken von 2000 Euro pro Jahr zugrunde, käme man auf 200 000 Euro für jeden geretteten Patienten.

Einen Aufklärungsfilm für Patienten mit Herzschwäche ("Das schwache Herz", 60 Min.) bietet die Deutsche Herzstiftung kostenfrei als DVD an. Anzufordern bei: Deutsche Herzstiftung e. V., Vogtstr. 50, 60322 Frankfurt/M., info@herzstiftung.de oder Tel. 069 955128-0.

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