zum Hauptinhalt
Tödlicher Erreger. Ein mutmaßliches Ebolaopfer wird von Helfern abtransportiert.

© Reuters

Homöopathie und alternative Heilmethoden: Globuli stoppen Ebola nicht

Der Westen bringt nicht nur Helfer in die betroffenen Regionen, sondern auch allerhand Gerüchte, wie die Krankheit angeblich mit Alternativmethoden geheilt werden kann. Mit verheerenden Folgen: Der Glaube an Homöopathie und anderen Hokus-Pokus kann Leben kosten.

Die Krankheit war plötzlich aufgetaucht. Im Sommer 1976, mitten im afrikanischen Dschungel. Die Erkrankten klagten über Kopfschmerzen und hohes Fieber, nach ein paar Tagen begannen sie zu bluten. Dann starben sie. Der Erreger war unbekannt, es gab kein Heilmittel. In einem Missionskrankenhaus im Zentrum der Epidemie versuchten belgische Nonnen, die sterbenden Patienten zu retten. Vergebens.

Beerdigung folgte auf Beerdigung. Und immer mehr Gerüchte verbreiteten sich. Viele Einheimische blieben dem Krankenhaus fern. Das scheint irrational, hat aber manchen vermutlich das Leben gerettet. Forscher stellten später fest, dass fast alle der frühen Opfer von den Nonnen behandelt worden waren, ehe sie erkrankten. Die Schwestern nutzten eine Handvoll Glasspritzen, die sie nur einmal täglich abkochten. So trugen sie den Erreger offenbar von einem Patienten zum nächsten.

Quacksalber verwandeln Angst in Geld

Fast 40 Jahre später breitet sich das gleiche Virus nun in einem anderen Teil Afrikas aus. Der Erreger ist inzwischen bekannt: das Ebolavirus. Aber zugelassene Medikamente gibt es immer noch nicht. Und wieder machen Gerüchte die Runde. Quacksalber praktizieren ihre eigene Art der Alchemie und verwandeln Angst in Geld. Manche Menschen fliehen aus den Krankenhäusern, weil die Ärzte aus dem Westen angeblich ihre Organe stehlen wollen. Andere trinken Salzwasser, weil sie gehört haben, dass schütze vor Ebola. Mindestens zwei Menschen in Nigeria sind bereits daran gestorben.

Im Internet werden die absurdesten Ebolatherapien angepriesen: Pfingstrosenwurzeln und das zerriebene Horn des Nashorns sollen ebenso helfen wie auf gentechnisch veränderte Lebensmittel zu verzichten. Vitamine sowieso. Der Blogger einer großen Webseite für „alternative Heilmethoden“ empfahl gar, das Blut eines Ebolapatienten mehrfach zu verdünnen und alle 15 Minuten einen Schluck zu nehmen. Ein Rezept für Desaster. (Die Webseite hat den Beitrag inzwischen entfernt.)

Energie im Körper umlenken - wie aufgeklärt ist das?

Die Missinformation macht die Arbeit der Helfer vor Ort noch schwieriger. Und wenn jetzt wieder das Bild des abergläubischen Afrikaners beschworen wird, ungebildet und unbelehrbar, dann lohnt sich ein Blick nach Deutschland. Im Gegensatz zu den Menschen in der betroffenen Region genießen wir hier seit Jahrzehnten ein gutes Gesundheitssystem mit High-Tech-Diagnostik und neuesten Medikamenten. Trotzdem gibt es genug Menschen, die ihre Kinder nicht gegen die Masern impfen lassen oder ihnen Schmerzmittel verweigern, weil das „böse Chemie“ ist. Stattdessen setzen sie darauf, die magische Energie im Körper mit Nadeln umzulenken oder Pillen aus geschütteltem Zuckerwasser zu schlucken. Wie aufgeklärt ist das? Zu allem Unglück wird der Unfug dann auch noch übers Internet in die ärmsten Länder der Welt exportiert.

Als Samuel Hahnemann Anfang des 19. Jahrhunderts die Homöopathie erfand, war die Situation für Europäer vergleichbar mit der der Menschen in Zaire 1976. Einem Arzt in die Hände zu fallen, erhöhte die Lebenschance nicht unbedingt. Seit Jahrhunderten wurde der Aderlass gegen zahllose Leiden empfohlen und führte nicht selten dazu, dass die geschwächten Patienten starben. Ärzte wuschen sich kaum die Hände und infizierten ihre Patienten mit gefährlichen Erregern. Die homöopathischen Globuli, Zuckerkügelchen ohne jeden Wirkstoff, waren gerade weil sie nichts enthielten außer Zucker, eine sichere Alternative in einer unsicheren Welt.

Gefährlicher Glaube an alternative Heilmethoden

Aber die Medizin hat Fortschritte gemacht. Heute sind Misstrauen gegen die Schulmedizin und der Glaube an alternative Heilmethoden ein gefährliches Hindernis. Ein Heilmittel gegen Ebola gibt es zwar immer noch nicht. Aber es gibt vielversprechende Kandidaten, und die Versorgung im Krankenhaus erhöht die Überlebenswahrscheinlichkeit von Patienten und reduziert die Wahrscheinlichkeit, dass sich mehr Menschen anstecken. Mehr als alles andere müssen Helfer in den betroffenen Ländern deshalb jetzt Vertrauen aufbauen.

Doch während der Westen Ärzte und Krankenpfleger, mobile Labore und Isolierstationen nach Afrika schickt, verbreitet er gleichzeitig gefährliches Misstrauen und tödlichen Unsinn. Wer immer noch glaubt, dass ein bisschen Homöopathie-Hokuspokus ungefährlich ist, sollte sich genau anschauen, was dort passiert, wo es um Leben und Tod geht.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false