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Als Omi noch lebte: Vier royale Generationen, mittlerer Abstand hier etwa 30 Jahre.

© imago/i Images / IMAGO/Stephen Lock / i-Images

Immer die Altväter: Wie lang dauert eine Generation wirklich?

25 Jahre, das galt lange als Richtwert. Doch es stimmt weder heute noch stimmte es in Urzeiten, legt eine neue Studie nahe.

Von Walter Willems

In der Geschichte der Menschheit waren Männer bei der Geburt des Nachwuchses durchschnittlich gut sieben Jahre älter als Frauen – so das Resultat einer Studie. Während der vergangenen 250.000 Jahre betrug demnach das Alter der Väter zu diesem Zeitpunkt gemittelt 30,7 Jahre, das der Mütter 23,2 Jahre.

Das berichten US-Forscher im Fachblatt «Science Advances» auf Basis von Genomanalysen. Demnach betrug die Dauer einer Generation durchschnittlich knapp 27 Jahre - allerdings mit Abweichungen im Lauf der Jahrtausende. Unabhängige Experten sehen die Resultate jedoch mit Skepsis.

Molekulare Uhr

Die Generationsdauer in den vergangenen Jahrtausenden ist für viele wissenschaftliche Fragen von Interesse: Sie kann etwa von der Gesellschaftsform abhängen - also möglicherweise variieren zwischen Jägern und Sammlern, Ackerbauern und Viehzüchtern. Zudem lässt sich daraus eine Datierung jener Entwicklungen ableiten, die sich im Erbgut niederschlagen. Dazu zählen Wanderungsbewegungen und Vermischungen verschiedener Populationen wie des Homo sapiens mit inzwischen ausgestorbenen Gruppen wie Neandertalern, die in Generationen gerechnet werden und sich so zeitlich eingrenzen lassen.

Allerdings ist die Generationsdauer von vielen Faktoren abhängig. Dazu zählen Umweltbedingungen, Demografie und Kultur. Auch deshalb ist die Bestimmung des Intervalls durchaus komplex. In einer früheren Studie hatte eine Gruppe um David Reich von der Harvard University alte Erbgutsequenzen aus der Zeit vor etwa 45.000 Jahren analysiert und dann die weitere Entwicklung dieser Genabschnitte verfolgt. Anhand durchschnittlicher Mutationsraten - der sogenannten molekularen Uhr - kamen sie 2016 im Fachblatt «PNAS» für diesen Zeitraum auf ein generelles, für Männer und Frauen gemitteltes Generationsintervall von 26 bis 30 Jahren.

In der aktuellen Studie wollte das Team um die Evolutionsgenetiker Richard Wang und Matthew Hahn von der Indiana University in Bloomington diese Berechnung deutlich verfeinern. Dazu konzentrierten sich die Forschenden auf sogenannte De-novo-Mutationen, die erstmals in einer Generation auftreten, vor allem bei der Zellteilung im Zuge der Embryonalentwicklung.

Ältere Väter

Die Forscher gehen davon aus, dass die relative Häufigkeit bestimmter solcher Mutationen vor allem von Geschlecht und Alter der Eltern abhängt. Dieses Verhältnis hatte zuvor eine Forschungsgruppe in einer Studie an mehr als 1500 Isländern und deren Eltern ermittelt. Jene Resultate glichen Wang, Hahn und Kollegen mit weiteren genetischen Daten von Tausenden Menschen aus aller Welt ab und entwickelten daraus ein Modell.

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«Durch unsere Forschung an modernen Menschen bemerkten wir, dass wir das Alter, in dem Leute Kinder bekamen, aus der Art von DNA-Mutationen ableiten können», erläutert Hahn. «Dieses Modell übertrugen wir auf unsere menschlichen Vorfahren, um das Zeugungsalter dieser Ahnen zu ermitteln.»

Demnach betrug der Altersunterschied zwischen Vätern und Müttern bei der Geburt des Nachwuchses während der vergangenen 250.000 Jahre im Mittel 7,5 Jahre. Diese Kluft habe sich wiederholt verändert und in den vergangenen 5000 Jahren verringert - auch weil das Alter der Mütter gestiegen sei. Die Varianz im Lauf der Zeit war demnach bei Männern wesentlich größer als bei Frauen, zeitweilig lag das Alter bei der Vaterschaft im Mittel deutlich über 30 Jahre.

Vor der Eiszeit

Am größten war das gemittelte Generationsintervall demnach vor etwa 1400 Generationen - das entspricht rund 38 000 Jahren - vor Beginn der letzten Eiszeit. Damals betrug es fast 30 Jahre. Am geringsten war es der Studie zufolge mit knapp 25 Jahren vor etwa 250 Generationen: Diese Zeit vor etwa 6400 Jahren fällt den Forschern zufolge grob mit dem Aufstieg komplexerer Gesellschaften zusammen. Seitdem sei das Intervall wieder deutlich gestiegen.

«Unser Modell ergibt über alle untersuchten Zeitintervalle hinweg eine längere Generationsdauer für Männer als für Frauen», schreibt das Team. Das gelte nicht nur für den Lauf der Geschichte, sondern auch heutzutage für alle Gesellschaften weltweit. Ein Grund dafür könne sein, dass Männer wesentlich länger zeugungsfähig sind als Frauen, sich also mehr Zeit lassen können.

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Harald Ringbauer vom Leipziger Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie hält die Studie für wissenschaftlich sauber. Das Team aus Indiana genieße in Fachkreisen einen hervorragenden Ruf. «Die Crux der Studie liegt jedoch in der Grundannahme», betont der Archäogenetiker. Ob die Häufigkeit der untersuchten Mutationen tatsächlich hauptsächlich vom Alter der Eltern abhänge, sei nicht geklärt.

In der auch auf dem Kurznachrichtendienst Twitter geführten Diskussion um die Studie von Wang und Hahn äußern sich die renommierten Populationsgenetikerinnen Molly Przeworski von der Columbia University in New York und Priya Moorjani von der University of California in Berkeley. In einem noch nicht begutachteten Preprint stellen sie die Grundannahme des Teams aus Indiana infrage.

Darin schreiben sie, das untersuchte Mutationsspektrum hänge nicht nur vom Alter der Eltern ab, sondern maßgeblich auch von anderen Faktoren - darunter Ernährung, Umweltbedingungen wie UV-Strahlung und möglicherweise sogar genetische Entwicklungen, die die Häufigkeit solcher Mutationen im Lauf der Zeit verändert hätten.

Anders ausgedrückt: Die Grundannahme der Gruppe um Wang und Hahn sei zu simpel, um daraus derart weitreichende Schlüsse ableiten zu können. «Das Paper von Przeworski und Moorjani zeichnet ein komplexeres Bild», sagt Ringbauer. Wie valide die Resultate des Teams um Wang und Hahn seien, werde sich möglicherweise in den kommenden Jahren zeigen, denn die Zahl der verfügbaren Datensätze steige stetig.

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