
© Anne Zöllner
Jürgen Zöllner: Ein Visionär der Wissenschaftspolitik wird 80
Der langjährige Wissenschafts- und Bildungsminister Jürgen Zöllner feiert seinen 80. Geburtstag. Er prägte 20 Jahre lang die deutsche Bildungslandschaft und setzte wichtige Reformen in Rheinland-Pfalz und Berlin um.
Stand:
„Wir haben in Deutschland kein Erkenntnis-, sondern ein Umsetzungsproblem“, wer hat diesen Satz nicht schon oft – und nicht nur im Wissenschaftsbereich – gehört? Jürgen Zöllner (SPD) dagegen hat viel umgesetzt: Von dem, was er für notwendig hielt und was notwendig war. Zuerst in Rheinland-Pfalz und ab 2006 in Berlin hat er sich 20 Jahre lang Zeit genommen, Wissenschaft und Bildung in ganz Deutschland zu prägen.
Früh hat er damit angefangen: Professor wurde er mit 29, Präsident seiner Universität in Mainz und danach Minister für Wissenschaft und Bildung in Rheinland-Pfalz mit 46 Jahren. Für einige Zeit war er stellvertretender Ministerpräsident. Der damalige Berliner Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) schließlich erfüllte Jürgen Zöllners heimlichen Wunsch, in der Hauptstadt tätig zu werden.
Es war genau der richtige Zeitpunkt. Nachdem Manfred Erhardt (CDU) zwischen 1992 und 1996 die Weichen für eine Wissenschaftsmetropole klug und weitsichtig gestellt hatte, schloss sich eine Phase des Zuwartens an. Die Wissenschaftshauptstadt benötigte wieder einen kreativen und mutigen Gestalter wie Zöllner.
Weichenstellung in Berlin
Als Senator für Wissenschaft und Bildung in Berlin war er nicht nur Initiator, sondern vor allem Ermöglicher von außerordentlich weitreichenden Entscheidungen. Für die Forschung war es vor allem die Unterstützung bei der Gründung des Berlin Institute for Medical Systems Biology (BIMSB) am Max-Delbrück-Center.
Auch die Sanierung des Hochhauses der Charité stellte ein veritables Statement für die weltweit führende Universitätsklinik in Berlin dar. Eine Entscheidung, die im Berliner Senat äußerst konfliktreich war. Immerhin kostete die längst überfällige Maßnahme 184 Millionen Euro.
Die Gründung des Berliner Instituts für Gesundheitsforschung (BIG) und dessen Finanzierung durch den Bund erwiesen sich als besonders komplex. Hier sollte biomedizinische Forschung in Berlin auf höchstem Niveau ermöglicht werden. Die ersten konkreten Pläne aus dem Jahre 2011 von Bundesforschungsministerin Annette Schavan (CDU) ließen sich nicht durchsetzen. Später erst gelang es mithilfe Zöllners das BIG zu gründen. Die Bereitschaft von Johanna Quandt, der Charité 40 Millionen Euro zur Verfügung zu stellen, erwies sich hierbei als wunderbarer Katalysator.
Zuvor hatte das Land Berlin auf Vorschlag Zöllners die Einstein Stiftung gegründet. Sie war ein wichtiges Instrument, um den Universitäten Geld für exzellente Leistungen nach einem rigorosen Begutachtungsverfahren zuzuweisen. Einerseits, um den Landesanteil zu finanzieren, der notwendig war, um die im Exzellenzwettbewerb des Bundes erfolgreichen Großvorhaben („Cluster“) auszufinanzieren. Andererseits – und dies war wirklich neu – um den weniger erfolgreichen Bewerbern die Verwirklichung eines Teils ihrer Pläne zu ermöglichen. Die Stiftung war anfangs heftig umkämpft. Inzwischen gilt sie nach 300 Millionen Euro Forschungshilfen für 240 Forscherpersönlichkeiten als Erfolgsmodell für Public-Private-Partnerships.
In seiner Amtszeit in Berlin konnte Zöllner die Zahl der Studierenden um 10.000 erhöhen und den Hochschulen dafür einen finanziellen Ausgleich geben. Ihm gelang es, die finanziellen Zuwendungen für die Hochschulen um einen Betrag zu steigern, der deutlich über dem Zuwachs des Landeshaushaltes lag – eine Prioritätensetzung, die man dieser Tage vermisst.
Im Schulbereich gelang es ihm, die Hauptschulen abzuschaffen. Diese nahmen ohnehin nur noch zehn Prozent der Schüler auf. Stattdessen wurde ein zweigliedriges Schulsystem aus Sekundarschulen und Gymnasien aufgebaut. Damit steht Zöllner auch für den Erhalt der Gymnasien, der momentan wieder einmal kritisch hinterfragt wird.
Wirkung in ganz Deutschland
Zöllner setzte auch Zeichen, die in ganz Deutschland gehört und befolgt wurden. So sorgte er noch in Rheinland-Pfalz dafür, dass die Universitätsmedizin Mainz 2009 in die rechtliche Selbstständigkeit überging und führte eine durch Indikatoren oder Zielvereinbarung gestützte Ressourcenzuweisung ein.
Er empfahl sich als Mitdenker des gesamten deutschen Wissenschaftssystems. Tatsächlich wurden bei der Ausrufung der Exzellenzinitiative des Bundes 2004 einige Ideen von Jürgen Zöllner übernommen.
Jürgen Zöllner schied 2011 auf eigenen Wunsch aus dem Amt aus. Seit 2012 arbeitet er für die Stiftung Charité: Erst als Vorstand, jetzt als Vorsitzender des Stiftungsrats. So macht er heute, mit seinen 80 Jahren, keineswegs den Eindruck eines Ruheständlers. Die Wissenschaft, die Stadtgesellschaft und seine Partei geben ihm Anlass und viel Gelegenheit, sich konstruktiv in die Debatten einzubringen oder sie auch gut hörbar einzufordern.
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