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US-Gesundheitsminister Robert F. Kennedy

© Getty Images

Kennedys Kampf gegen Impfstoffe: Die angebliche Gefahr von Thiomersal 

Ein neues US-Impfstoff-Gremium verbannt Impfstoffe, die den Konservierungsstoff Thiomersal enthalten. Forscher sehen darin ein Zugeständnis an Verschwörungstheorien.

Stand:

Es geht wohl mehr um Politik als um Gesundheit: In den USA hat der beratende Ausschuss für Impfpraktiken empfohlen, dass Amerikaner keine Grippeimpfstoffe mehr bekommen sollten, die das Konservierungsmittel Thiomersal enthalten.

Und das, obwohl zahlreiche Studien, die im letzten Vierteljahrhundert durchgeführt wurden, keine Probleme mit diesem Molekül auf Quecksilber-Basis festgestellt haben – und das Konservierungsmittel auch so gut wie nicht mehr verwendet wird.

Das Impfgremium ist erst vor zwei Wochen von US-Gesundheitsminister Robert F. Kennedy eingesetzt worden, nachdem dieser alle bisherigen 17 Mitglieder entlassen hatte. Der schnelle Entschluss zeigt, wie alte Kontroversen und Behauptungen von Anti-Impf-Aktivisten nun mit hoher Priorität auf der Agenda der Regierung stehen.

„Auch wenn Thiomersal in Deutschland ohnehin nicht mehr eingesetzt wird – die Entscheidung des US-Gremiums ist bedenklich, weil sie mal wieder Verschwörungstheorien befeuert“, sagt Carsten Watzl, Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Immunologie.

Was ist Thiomersal ?

Thiomersal (englisch Thimerosal) ist eine organische Quecksilberverbindung, die über viele Jahrzehnte als Konservierungsmittel in einigen Impfstoffen eingesetzt wurde – in Impfstoffbehältern, aus denen mehrere Dosen entnommen werden konnten.

Der Konservierungsstoff verhindert das Wachstum von Bakterien und Pilzen. Im Körper wird Thiomersal zu Ethylquecksilber abgebaut – nicht zu verwechseln mit dem gefährlicheren Methyl-Quecksilber, das in Fischen vorkommt und sich weit stärker im Körper anreichert. Unter Fachleuten gelten die winzigen Mengen Thiomersal , die bei einer Impfung in den Körper gelangen würden, als unbedenklich.

Warum die Kontroverse?

Dennoch wurden im Laufe der 1990er Jahre Bedenken hinsichtlich möglicher Gesundheitsrisiken laut – insbesondere gab es die Vermutung, Thiomersal könne bei Kindern Autismus auslösen. Kennedy hat 2015 ein Buch herausgegeben, laut dem die Gefährlichkeit von Thiomersal  angeblich wissenschaftlich erwiesen sei.

Man suggeriert hier mal wieder, dass von Thiomersal und vielleicht Impfstoffen im Allgemeinen irgendwelche Gefahren ausgehen.

Immunologe Carsten Watzl

Fachgremien weltweit haben dagegen ganz andere Schlüsse aus den vorliegenden Studien gezogen. „Es gibt eine Vielzahl von wissenschaftlichen Studien, die in den Vereinigten Staaten und in anderen Ländern durchgeführt wurden, die die Sicherheit von thiomersalhaltigen Impfstoffen belegen“, schreibt die amerikanische Arzneimittelbehörde FDA auf ihrer Website – in Übereinstimmung mit dem deutschen Paul-Ehrlich-Institut.

„Es stimmt einfach nicht, dass von Thiomersal Gefahren ausgehen, das ist wissenschaftlich widerlegt“, sagt auch Carsten Watzl. Der Immunologe würde sich jederzeit mit einem Vakzin impfen lassen, das Thiomersal enthält, auch bei Kindern hätte er keinerlei Bedenken. „Es handelt sich um winzige Konzentrationen, wir nehmen mit der Nahrung ohnehin alle möglichen Stoffe auf.“

Sogar Kennedys eigene Gesundheitsbehörde (CDC) hatte laut einem Bericht der Washington Post erst kürzlich ein 17-seitiges Dokument gepostet, laut dem die Anwendung von Thiomersal sicher sei – als Hintergrundmaterial für die bevorstehende Abstimmung des Impfgremiums (ACIP). Dieses Dokument wurde am Mittwoch von der ACIP-Webseite entfernt.

Enthalten Impfstoffe überhaupt noch Thiomersal ?

Keiner der in Deutschland üblicherweise angewandten Impfstoffe enthält noch Thiomersal. Impfstoffe werden heute in der Regel steril als Spritzen mit einer Einmaldosis produziert, sodass gar kein Konservierungsmittel mehr notwendig ist. Im Fall einer Pandemie könnten allerdings Influenza-Impfstoffe aus Mehrfachbehältern zur Anwendung kommen, die noch Thiomersal enthalten.

Auch in den USA wird Thiomersal kaum noch eingesetzt – 94 Prozent aller Grippeimpfungen sind laut Recherchen der Washington Post frei von Thimerosal. Aus Kostengründen scheint es aber manchmal noch die Mehrfachbehälter zu geben, die insbesondere in ländlichen abgelegenen Gebieten der USA eingesetzt werden. Ob es durch die neuen Empfehlungen nun zu Engpässen in der Versorgung kommen kann, ist unklar.

Was bedeutet die Entscheidung?

„Die Entscheidung des Gremiums wird kaum Konsequenzen haben, da Thiomersal kaum noch eingesetzt wird“, sagt der Immunologe Carsten Watzl. „Aber das ist nur die Hälfte der Wahrheit, denn eine solche Empfehlung wird ja aus bestimmten Motiven ausgesprochen. Man suggeriert hier mal wieder, dass von Thiomersal und vielleicht Impfstoffen im Allgemeinen irgendwelche Gefahren ausgehen.“

Dass der Fall weitere Verschwörungserzählungen rund ums Impfen befeuern wird, ist offensichtlich. Kennedy selbst hat in einem Post auf X eine Reihe von Studien aufgelistet, die angeblich die Gefährlichkeit von Thiomersal beweisen „Es eine Methode, ein Publikum zu überwältigen, das meistens nicht auf jeden einzelnen Link klicken wird“, sagte Jessica Malaty Rivera, Epidemiologin für Infektionskrankheiten, gegenüber der Washington Post. „Außerdem gibt es in keinem dieser Links einen Beweis für seine Behauptungen.“

Korrekturhinweise: In einer früheren Version des Textes haben wir die US-amerikanische Bezeichnung „Thimerosal“ verwendet, diese aber nun gegen den korrekten deutschen Namen „Thiomersal“ getauscht.

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