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Falschfarbenaufnahme der Rauch- und Aschewolke, die der Unterwasservulkan am 14. Januar über die Insel Tonga verbreitet hat.

© NOAA/Handout via REUTERS

Mega-Eruption im Tonga-Archipel: Kollision mit 24 Zentimetern pro Jahr

Erkenntnisse aus dem Untergrund: Der Ausbruch des Tonga-Vulkans im Südpazifik ist Folge von Plattenverschiebungen der Erdkruste.

Auch wenn die Namen der Vulkane „Hunga Tonga-Hunga Ha'apai“ und „Eyjafjallajökull“ nicht gerade einprägsam sind, bleiben sie nicht nur Geoforschern wohl noch lange im Gedächtnis. Die Aschewolke des Eyjafjallajökull in Island legte Mitte April 2010 den Flugverkehr in Nord- und Mitteleuropa weitgehend lahm. Die Eruption des Hunga Tonga-Hunga Ha'apai im Tonga-Archipel schleuderte am frühen Morgen des 15. Januar 2022 eine Aschewolke 28 bis 30 Kilometer hoch – bis in die Stratosphäre.

„Das könnte der stärkste Vulkan-Ausbruch seit der Eruption des Pinatubo auf den Philippinen im Juni 1991 sein, bei der die Asche sogar 34 Kilometer Höhe erreichte“, meint Philipp Brandl vom GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel.

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Eine Kette von 80 Vulkanen

Zum Glück liegt der Hunga Tonga-Hunga Ha'apai-Vulkan in der Südsee in einer Region mit wenigen Inseln. Der Ausbruch richtete daher nach vorläufigen Angaben deutlich geringere Schäden an als die Pinatubo-Eruption in einer relativ dichtbesiedelten Region.

Die Inseln des Tonga-Archipels gehören zu einer langen Kette von mehr als 80 Vulkanen, die sich im Süd-Pazifik über rund 3000 Kilometer bis zur Nordinsel Neuseelands zieht. Dort liegt vor der Küste White Island, die als eine der am häufigsten besuchten aktiven Vulkaninseln der Welt gilt.

Normalerweise beobachten Tagestouristen dort einen dampfenden Kratersee und schwefelhaltige Gase, die aus dem Untergrund zischen. Manchmal aber kommt es zu stärkeren Eruptionen, von denen eine am 9. Dezember 2019 eine Touristengruppe traf. 22 Menschen kamen um.

[Welchen Einfluss der aktuelle Ausbruch des Tonga-Vulkans im Südpazifik nun auf das globale Klima haben könnte, lesen Sie in folgendem Beitrag auf TS-Plus]

Forschende können hier die Aktivitäten im Erdinneren viel einfacher beobachten als bei den meisten anderen Vulkanen der Kette. Denn wie der Ausbruch des Hunga Tonga-Hunga Ha'apai finden die meisten ihrer Eruptionen unter Wasser statt. Nur an wenigen Stellen wie bei den Kermadec-Inseln fast tausend und den Tonga-Inseln rund zweitausend Kilometer nordöstlich von Neuseeland ragen die Spitzen der Vulkane über den Meeresspiegel.

An einer Dampfaustrittsstelle des Vulkans „White Island“ in Neuseeland wird der Gehalt an Schwefelverbindungen gemessen, die das Gestein gelb färben.
An einer Dampfaustrittsstelle des Vulkans „White Island“ in Neuseeland wird der Gehalt an Schwefelverbindungen gemessen, die das Gestein gelb färben.

© Roland Knauer

Die Unterwasservulkane, zum Beispiel „Rumble III“ oder „Rumble V“, entstehen durch einen Prozess tief im Erdinneren: Dort stößt eine gigantische Platte, die auf tieferen Schichten des Erdinneren gleitet und die große Teile des Pazifiks trägt, mit anderen Erdplatten zusammen, die Australien, Neuseeland und Teile des südwestlichen Pazifiks beherbergen.

Solche Platten-Kollisionen gibt es auf dem Globus zwar relativ häufig. „Nirgendwo sonst aber stoßen zwei Platten mit einer so hohen Geschwindigkeit zusammen, die in der Nähe der Tonga-Inseln 24 Zentimeter im Jahr beträgt“, erklärt Cornel de Ronde vom neuseeländischen Geoforschungszentrum GNS in Lower Hutt.

Allerdings prallt die pazifische Platte nicht frontal auf die weiter westlich liegenden Platten, sondern taucht schräg unter diesen ab. Im Laufe der Jahrmillionen hebt so ihre langsam in die Tiefe gleitende gigantische Masse einen alten Inselbogen im Süd-Pazifik langsam in die Höhe, aus dem sich eine Reihe von flachen Korallen-Atollen bildeten: die Tonga-Inseln.

Unerwartete Eruptionen

An der Kollisionsstelle der pazifischen Platte mit der australischen Platte entsteht dagegen ein Graben, dessen Grund im „Witjas-Tief 2“ 10.882 Meter unter dem Spiegel des Pazifiks liegt. Hinter dieser Tonga-Kermadec-Tiefsee-Rinne taucht die pazifische Platte langsam tiefer unter die australische.

Der zunehmende Druck presst Wasser aus der absinkenden Platte in die darüber liegende. Diese beginnt dadurch langsam zu schmelzen. Das entstehende zähflüssige Gestein ist ein wenig leichter als das gleiche Volumen festen Gesteins und beginnt daher, langsam in die Höhe zu steigen. „Magma“ nennen Geologen diese rotglühende Masse, die schließlich oben ankommt und dort nicht nur heiße Quellen, sondern auch Untersee-Vulkane wie White Island oder Hunga Tonga-Hunga Ha'apai speist.

Der Vulkan bricht offenbar ungefähr alle tausend Jahre mit gewaltigen Eruptionen aus, hat Shane Cronin von der Auckland University in Neuseeland herausgefunden. Vor dem gewaltigen Ausbruch am 15. Januar 2022 bildete der Einsturzkrater dieses Unterwasservulkans ein etwa vier Kilometer langes und zwei Kilometer breites Oval, das ungefähr 150 bis 200 Meter unter dem Meeresspiegel lag. Tief unter dieser Caldera sammelte sich das Magma an. Manchmal erreichte es den Meeresgrund, 1912, 1937, 1988, 2009 und 2014 kam es jeweils zu kleineren Eruption.

„Um solche Vulkane gut zu überwachen, benötigen wir ein engmaschiges Netz von Stationen, die kleine Erschütterungen aufzeichnen, wenn das Magma im Untergrund vordringt“, erklärt Geomar-Forscher Philipp Brandl. Da von der Kraterwand des Hunga Tonga-Hunga Ha'apai aber nur zwei kleine Inselchen über die Wellen des Pazifik ragen und Unterwassermessungen sehr komplex und auch teuer sind, gab es dort keine solche engmaschige Überwachung.

Der Vulkan brach unerwartet am 19. Dezember 2021 wieder aus. Nach diesen Eruptionen folgten weitere, bis der Vulkan am 15. Januar mit einem gewaltigen Ausbruch seine Aschewolke bis in die Stratosphäre jagte.

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