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Man legt internationalen Talenten Steine in den Weg: Deutschland verpasst zu viele Chancen!
Das Land profitiert von jeder Fachkraft, die hier vor Ort ausgebildet haben. Internationale Studierende „lohnen“ sich deshalb für Deutschland. Trotzdem werden ihnen Visa verweigert und Karrieren erschwert.

Stand:
Es sind inzwischen zehn Jahre vergangen, seit die Technische Universität Berlin das Programm „In(2)TU Berlin“ ins Leben rief und als eine der ersten Hochschulen in Deutschland Geflüchteten den Zugang zu Lehrveranstaltungen und Prüfungen ermöglichte. Dieser pragmatische Ansatz der TU hat erheblich dazu beigetragen, dass ehemals Geflüchtete heute als Ingenieurinnen, Architekten oder Informatikerinnen in Deutschland tätig sind – eine Erfolgsgeschichte, nicht zuletzt auch aus ökonomischer Sicht.
Laut einer Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft reicht bereits der Verbleib von 40 Prozent der internationalen Studierenden nach dem Abschluss aus, damit deren Steuer- und Sozialbeiträge die Ausbildungskosten decken – und schon nach kurzer Zeit positive Nettoeffekte entstehen.
Nicht nur die Anwerbung, sondern vor allem der Verbleib und die erfolgreiche Integration in Studium und Arbeitsleben liegen also im ureigenen Interesse Deutschlands. Je höher die Verbleiberate, desto größer der Effekt. Doch diese Rechnung reicht nicht aus, um das Land von den Vorteilen zu überzeugen.
Vielleicht wäre ein deutliches Bekenntnis zur Internationalisierung nötig – nicht nur von Seiten der Hochschulen, sondern des ganzen Landes.
Vor einigen Jahren etwa verließen reihenweise Teilnehmende aus Afghanistan das Studienprogramm. Es hieß damals nämlich, man werde aus dem Studium in das nun angeblich „sichere“ Herkunftsland abgeschoben – nicht aber aus einer Ausbildung.

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Aktuell wird diskutiert, ob Syrer zur freiwilligen Ausreise motiviert oder gleich abgeschoben werden sollen. In Beratungsgesprächen werde ich zunehmend gefragt, ob sich die Weiterführung des Studiums denn überhaupt noch lohne.
Deutschland wird seiner Verantwortung als Einwanderungsland nicht gerecht
Der wenig subtile Unterton in der Diskussion um das deutsche „Stadtbild“ wird von internationalen Studierenden ebenso aufmerksam registriert wie die demonstrativ zur Schau gestellte Lustlosigkeit, der Verantwortung eines Einwanderungslandes gerecht zu werden.
Beispiele dafür gibt es zuhauf. Erst kürzlich konnte eine Gruppe frisch Zugelassener aus Iran ihr Studium nicht antreten. Der Grund: Die deutsche Botschaft hatte ihre Termine zur Visabeantragung kurzfristig gestrichen.
Ein Student aus Nigeria war jahrelang an der TU Berlin immatrikuliert, erhielt jedoch Semester für Semester keinen Termin, um überhaupt einreisen und sein Studium aufnehmen zu können. Nach fast drei Jahren gab er auf, exmatrikulierte sich – und bekam nicht einmal die bereits gezahlten Gebühren für das nie begonnene Studium zurück. „Gelohnt“ hatte sich das dann tatsächlich für niemanden.
Vielleicht wäre ein deutliches Bekenntnis zur Internationalisierung nötig – nicht nur von Seiten der Hochschulen, sondern des ganzen Landes. Damit Deutschland sich nicht weiter ökonomisch, bildungspolitisch und strategisch selbst sabotiert.
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