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Gentechnisch veränderte Mäuse mit mammutähnlichem Fell

© Colossal

Maus mit Mammut-Fell gezüchtet: Der Versuch, die Steinzeit wiederzubeleben

Das Mammut ist ausgestorben. Doch das Erbgut haben Forschende inzwischen wieder zusammengebastelt. Jetzt ist es gelungen, zumindest die Frisur der Urzeittiere wiederzuerschaffen.

Stand:

Aus einer Maus einen Elefanten machen – nein, das will auch die US-Firma Colossal nicht. Zwar wurden in deren Bostoner Labor die Haargene des Nagetiers so verändert, dass ihnen ein mammutähnliches, wollig-warmes Fell wuchs. Das behauptet das Unternehmen jedenfalls in einem heute veröffentlichten, aber noch nicht unabhängig geprüften Fachartikel bei bioRxiv.org. Das Experiment ist jedoch Teil eines ganz anderen, viel größeren Plans: Ausgestorbene Arten wie das Wollhaarmammut Mammuthus primigenius wiederauferstehen zu lassen.

Colossalwill „De-Extinction“ möglich machen: Die „Anwendung fortschrittlicher Gen-Editierungstechnologie mit dem Ziel, die DNA verlorener Megafauna und anderer Lebewesen wiederherzustellen“. So heißt es auf der Unternehmenswebsite. Im wissenschaftlichen Beirat sitzen der am Experiment beteiligte Klon- und Genforscher George Church von der Harvard University und auch der deutsche Experte für Evolutionäre Adaptive Genomik, Michael Hofreiter von der Universität Potsdam.

Eine Mammutaufgabe

Seit Jahren sammelt die Firma Erbgutinformationen über ausgestorbene Urzeit-Tiere. Tatsächlich liegt inzwischen ein fast vollständiges Genom des Mammuts vor. Und durch Vergleich mit dem Erbgut des Elefanten, des nächsten, lebenden Verwandten des Mammuts, versuchen Genforscher zu analysieren, welche Mutationen zu den mammuttypischen Eigenschaften führen, etwa der Behaarung – gewissermaßen den „Mammutationen“.

Zeichnerische Darstellung eines Wollhaarmammuts

© imago/Science Photo Library/imago stock&people

Bislang blieb die Erkenntnis, welche Veränderung eines Haargens es zum Mammut-Haargen macht, jedoch blanke Theorie. Der ideale Test wäre, im Erbgut eines Elefanten die „Mammutationen“ in den Haargenen einzufügen und dann zu beobachten, ob tatsächlich ein ähnlich pelziger Elefant geboren wird.

Dass sich Mäuse im Labor besser für solche Untersuchungen besser eignen als Elefanten, liegt auf der Hand – allein schon aufgrund der kürzeren Schwangerschaft: 20 Tage statt 22 Monate. Zumal auch Mus musculus, wie fast alle Säugetiere, die entsprechenden Haargene im Erbgut hat, wenn auch mit anderen, eben maustypischen Genvarianten.

Mammutierte Maus

Also fügten die Forschenden mithilfe der Genschere Crispr/Cas in zehn der Mausgene Mammutationen ein. Sie veränderten so den genetischen Code zu Farbe, Länge, Dicke und Textur der Haare sowie zum Fettstoffwechsel. Dann begutachteten sie den Nachwuchs derart veränderter Tiere. Tatsächlich wurde das Fell der Mäuse lockig und goldbraun und hatte eine gröbere Struktur.

Zum Mammut macht das die Maus natürlich nicht. Die veränderten Mäuse hätten „nichts mit Elefanten oder gar Mammuts zu tun“, sagte Sergiy Velychko, Genetiker an der Harvard University, dem Science Media Center. Und selbst wenn es gelänge, einen Elefanten mit diesen Haargenmutationen auszustatten und er ein mammutähnliches Fell bekäme, könne von einer „De-Extinction“, einer Umkehr des Aussterbens des Mammuts, keine Rede sein. Denn dafür müssten unzählige andere Eigenschaften verändert und damit Gene „mammutiert“ werden.

Solche Genveränderungen seien bei Elefanten aus vielen Gründen deutlich schwieriger als bei Mäusen, betont Velychko. Selbst grundlegende Fortpflanzungstechniken wie die künstliche Befruchtung seien bei den Großsäugern bis auf eine Elefantengeburt im Zoo in Indianapolis in den USA im Jahr 2000 noch nie gelungen. „Selbst wenn diese Methoden so gut funktionieren würden wie bei Mäusen, müssten Hunderte Babys gezeugt werden, um ein paar genetisch veränderte Tiere zu erhalten“. Bei Elefanten sei das schlicht nicht machbar, da eine Elefantenkuh meist nur ein Kalb gebären könne.

„Die größten Einschränkungen bei der Wiedereinführung des Wollhaarmammuts wären also: fehlende Fortpflanzungstechnologien bei Elefanten, sehr langsame Fortpflanzung, Trächtigkeit und Geschlechtsreife, fehlende embryonale Stammzelllinien für Säugetiere, die keine Mäuse sind“, so Velychko. Vor allem aber fehle ein geeignetes Kleintiermodell, um die Mammutationen zu testen. Mäuse seien dafür nicht geeignet, sie sind „evolutionär zu weit von Elefanten entfernt“. Die Colossal-Studie sei ein „interessantes Stück Arbeit“, sagt die Evolutionsbiologin Louise Johnson von der University of Reading in Großbritannien. „Aber die Idee, dass wir etwas zurückbringen könnten, nachdem es ausgestorben ist, ist eine falsche Hoffnung.“

Nützlich für die Nutztierzucht

Abgesehen von der schlagzeilenheischenden Idee, das Mammut wiederbeleben zu wollen, könnten die eingesetzten Gentechniken jedoch für die Nutztierzüchtung interessant sein, meint Konrad Fischer, Leiter des Forschungsbereichs für Xenotransplantation an der Technischen Universität München: „Die erfolgreiche gleichzeitige Modifikation mehrerer Gene zeigt das Potenzial für eine präzisere genetische Anpassung von Nutztieren an verschiedene Umweltbedingungen“, etwa Schweine, Rinder und Schafe. Sie könnten resistent gegen bestimmte Viren so verändert werden, dass sie für Menschen mit Fleischallergien verträglicher sind. Es könnten hornlose oder hitzeresistentere Rinderarten und Schafe mit erhöhter Muskelmasse gezüchtet werden.

Je mehr Gene gleichzeitig verändert werden, so Fischer, desto wichtiger sei es, ihr Zusammenspiel genau zu verstehen. „Manche Gene beeinflussen sich gegenseitig, sodass eine Modifikation unerwartete Nebenwirkungen haben kann.“ Besonders bei komplexen, von vielen Genen gesteuerten Merkmalen seien detaillierte Kenntnisse über Genregulation und genetische Netzwerke nötig.

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