
© Field Museum of Natural History in Chicago, CC BY-SA
Menschenfresser und Killerviren: Geschichte, die zwischen den Zähnen steckt
Hunderte Millionen Tier- und Pflanzenpräparate lagern in Naturkundemuseen. Mithilfe moderner (auch Gen-)Technik ermöglichen sie Einblicke in vergangene Natur und Lehren für die Zukunft.

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Man kennt das: Nach dem Steak oder Sesamfalafel bleibt der eine oder andere Rest vom Festessen zwischen den Zähnen hängen. Oder verirrt sich in den Tiefen des zerklüfteten Backenzahns, der schon lange einen Zahnarzt hätte sehen sollen.
Wer dann keine Zeit mehr hat, sich gründlich die Zähne zu putzen, bevor er ins Gras beißt, dessen skelettöse Überbleibsel könnten sich womöglich für künftige Generationen als auskunftsreiche Quelle für die merkwürdigen Essgewohnheiten unserer Zeit erweisen. Vorausgesetzt, die Kauleiste findet den Weg in ein Naturkundemuseum.
Im Gebiss zweier Löwenschädel zum Beispiel, die seit den 1890er Jahren im Tsavo-Museum in Kenia lagerten, entdeckten Forscher jetzt nicht nur erwartbare Reste von Giraffen, Gnus, Antilopen und Zebras, sondern auch Haare verschiedener Menschen. Die Genanalysen des Forscherteams um Ripan Malhi von der Universität Illinois Urbana-Champaign bestätigen, was in den Archiven des Museums über die „Menschenfresser-Löwen von Tsavo“ gemunkelt wurde: Die Raubtiere töteten etwa ein Dutzend Menschen, die am Bau der Eisenbahnstrecke zwischen Kenia und Uganda beteiligt waren.
Eine aufschlussreiche Ente
Nicht nur alte Essensreste können Geschichten über die Vergangenheit erzählen: Eine Ente, die seit hundert Jahren im Archiv des Smithsonian Museums herumlag, half dem Virusforscher Jeffrey Taubenberger, den Ursprung der „Spanischen Grippe“ aufzuklären.
1916 hatte der Ornithologe Frank Alexander Wetmore eine tote Schwarzkopfruderente aus dem Schilf des Bear Rivers in Utah eingesammelt. Sie landete, neben zigtausend anderen, im Washingtoner Naturkundemuseum Smithsonian. 2002 entdeckte Taubenberger in eben jener Ente Erbgutreste eines Influenza-Virus. Es ähnelte bereits jenen Viren, die 1918 und 1919 über 50 Millionen Menschen das Leben kosten sollten.
Die uralte DNA in den Museumspräparaten gibt nicht nur über Speisepläne Auskunft, sondern kann helfen, die Flora und Fauna längst vergangener Zeiten zu rekonstruieren. Um daraus für die Zukunft zu lernen. Etwa, dass Löwen mal ein Risiko waren, Vogel(grippe)viren jedoch heute wie damals viel gefährlicher sind.
Was wir zum Leben mitbekommen und was wir weitergeben – jedes Wochenende Geschichten rund um Gene und mehr in der „Erbonkel“-Kolumne.
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